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denen Fruchtbarkeit der gesegneten Tiefebenen Andalusiens, Murcia's und
Valencia's. Der Guadalquivir, von kleineren Seeschiffen bis Sevilla, von Flu߬
schiffen bis Cordova befahren und deshalb eigentlich der einzige schiffbare Strom
(denn der Ebro bedarf zu seiner Schiffbarkeit des seinem Mittelläufe parallel
geführten aragonischen oder Kaiserkanals), durchströmt die andalusische Tief¬
ebene, von welcher schon Strabo sagt, sie stehe an Gütern des Landes keiner
auf der ganzen Erde nach. Daher gehören dieser Ebene und ihrer buchten¬
reichsten Küste die ältesten und berühmtesten Städte der Halbinsel an. Hier
gründeten die Phönizier Gadeira auf der Insel gleichen Namens, das Cadix
der christlichen Zeit; hier lag Tartefsus, sei eine Stadt, sei eine Landschaft
unter dem Namen gemeint; hier lebt in Sevilla das alte Hispalis fort;'hier
liegt Cordova, Sitz einst der maurischen Herrscher. Von hier steuerte Columbus
nach Westen, hieher kehrten die Silberflotten zurück, nach Cadix und Sevilla
ward verschiedene Male während der Kriege des 19. Jhdrts. der Sitz der
Regierung verlegt. Hier ist jeder Fußbreit des Landes Geschichte. Das Cadix
der mediterranen Seite Spaniens ist Barcelona, die Hauptstadt Catalontens
und der gesammten spanischen Industrie, aus deren Hafen jene große Armada
auslief, welche Kaiser Karl V. persönlich gegen Tunis führte. So sind die
Tiefländer des oceanischen Guadalquivir und des mediterranen Ebro diejenigen,
auf deren Boden seit den ältesten Zeiten sich die mercantilen und strategischen
Beziehungen Spaniens zu seinen Meeren in dem Entstehen und Aufblühen
von Großstädten concentrirt haben.
May hat mit Recht behauptet, daß Spanien nur durch seine unaufhör¬
lichen Kriege im Mittelalter ein Ganzes geworden ist. Der Widerstand der
Mauren forderte und begünstigte die Vereinigung erst der oceanischen Gebiete
zum castilischen und der mediterranen zum aragonischen Reiche, dann die
Vereinigung beider unter eine Krone. Diese Jahrhunderte hindurch fortgesetzten
Kämpfe gegen die Mauren gaben der christlichen Bevölkerung die geistige
Einheit der Religion und des Patriotismus, beides bildet die zusammenhaltende
Kraft der Nation. Beide erhielten neue, reiche Nahrung an den nun folgenden
transatlantischen Unternehmungen. Auch hier galt es Kampf und Vernichtung
Ungläubiger, so wie Verherrlichung und Größe des Heimatlandes durch
Unterwerfung einer neuen Welt. Die Gründung einer Colonial-Großmacht
erweckte den Nationalstolz. Seitdem aber Spanien durch den Verlust fast aller
überseeischen Besitzungen die Beziehungen nach Außen abgeschnitten sind, seitdem
so das Vereinigende, was in gemeinschaftlichen überseeischen Unternehmungen j
liegt, gelöst ist, taucht überall der Provinzialgeist auf. Und dieser wird
begünstigt hier durch die Abgeschlossenheit eines die (baskische) Sprache, die
angestammten Sitten und die Fueros (Provinzialrechte) der ursprünglichen Be¬
wohner schützenden Gebirgslandes, dort durch die Meerlage und den Hafen¬
reichthum einer auf Handel und industrielle Entfaltung gerichteten Tiefebene, hier
durch eine wasserreiche, zum Ackerbau einladende Terrasse, dort durch eine
baumlose, nur Schafzucht oder Bergbau gestattende Hochfläche. So widerstrebt
die Natur des spanischen Bodens jeder Centralisation. Spanien scheint von
Natur zu einer föderativen Monarchie bestimmt.
28. Ein Stiergefecht in Madrid.
(Von Karl v. Hailbronner.)
Am Morgen nach meiner Ankunft in Madrid kam ich in die Straße
Caretas und fand sie von dichten Menschenmassen gesperrt. Es war das