176
Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
Griechenland mit der List eines betrügerischen Spielers zu gewinnen sich
unterstand. Demosthenes sah im Geiste mit der makedonischen Ober¬
hoheit über Griechenland die Freiheit (die allerdings von den Griechen
nicht nur mißbrauchte, sondern entehrte) verloren gehen, ohne daß
deßwegen Ordnung, gute Sitte, Friede und Wohlstand des Landes
gewannen; denn wenn auch das eigentliche makedonische Volk ein na¬
türliches und unverdorbenes war, so zeigte der königliche Hof sich um
so raffinierter, und je mächtiger das Königthum durch Eroberungen
wurde, um so weniger brauchte es auf den makedonischen Stamm Rück¬
sicht zu nehmen. Uebrigens war Demosthenes selbst keiner der Alten,
kein Perikles; er war nicht nur kein Feldherr, sondern nicht einmal
ein guter Soldat und konnte deßwegen nie eine Befehlshaberstelle über¬
nehmen. Ihm traten auch nicht bloß sophistische Schurken wie Aeschines
entgegen, sondern sogar der Ehrenmann Phokion, der freiwillig arme,
unbestechliche. Dieser war der Ueberzeugung, mit einem Volke, wie das
athenische eines sei, habe es ein Ende; für die Freiheit sei es zu schlecht
und zu muthwillig, daher sei es besser, wenn es gehörig gezügelt
werde, und je weniger es sich dagegen sträube, um so erträglicher
werde es ihm ergehen. Theater, Spiele und andere Unterhaltungen
würden ihm auch unter Makedoniens Oberhoheit nicht fehlen; möge es
darum seine Rolle als das Volk der feinen Bildung, des Geschmackes,
der Kunst und Wissenschaft spielen, den Makedoniern aber die politische,
die Hegemonie, die bewaffnete Vertretung des Hellenenthums gegen das
Ausland überlassen. Deßwegen konnte Phokion dem Demosthenes, der
ihm sagte: „die Athener werden dich tödten, wenn sie toll werden" zur
Antwort geben: „Und dich, wenn sie vernünftig werden." Dennoch
vergaß Phokion seine Pflichten als Bürger seiner Vaterstadt nicht und
er war der einzige athenische Feldherr, welcher den makedonischen König
einmal nöthigte von einem wichtigen, schon halb gelungenen Unternehmen
abzustehen.
Der heilige Krieg (35-5—316 v. Ehr.).
Die Phokäer hatten sich die Nutzung eines Stückes Landes ange¬
maßt, welches dem delphischen Gotte gehörte und waren deßwegen von
dem Gerichte der delphischen Amphiktyonen (aus den Abgeordneten der
einzelnen Staaten bestehend, Verletzungen des Völkerrechts und der
Heiligthümer richtend, aber ohne große Bedeutung) zu einer unmäßigen
Strafsumme verurtheilt worden; ein gleiches war auf Betreiben der
Thebaner gegen die Spartaner wegen der Besetzung der Kadmea durch
Phöbidas geschehen, allein weder der eine noch der andere Theil bezahlte
seine Buße und niemand wagte darauf zu drängen, weil die Bezahlung