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Das Reich der Cäsaren.
mit dem Unterschiede freilich, daß ein so geschultes Kollegium gegen den
vielköpfigen Souverän mehr versuchen und durchsetzen konnte, als gegen
den Imperator. Früher waren die p1ebi8eita für den Senat bindend
gewesen, jetzt sanktionierte er zum voraus die Edikte des Imperators,
so daß der Senat zu einem Kollegium wurde, welches rathen konnte,
wenn es angefragt wurde, und das der Imperator dekretieren ließ,
wenn er etwas befehlen oder verweigern und doch nicht als der eigent¬
liche Urheber erscheinen wollte. Das souveräne Volk hatte besonders in
den letzten Zeiten der Republik (trotz der sullanischen Reformen) dem
Senate sein Recht, Provinzen und Befehlshaberstellen zu ertheilen, viel¬
mal entrissen; Augustus ließ ihm bestimmte Provinzen, die er besetzen
durfte. Die „praesides“ der senatorischen Provinzen waren sogar
besser bezahlt als die der cäsarischen; nach der Besoldung (in Sestertien
berechnet) zerfielen sse in die drei Klassen ducenarii, centenarii und
sexagenarii, mit 200,000, 100,000 und 60,000 Sestertien (1 Mill.
Sest. — 50,000 Thlr.). Alles Recht, über die Kriegsmacht zu verfügen,
war auf den Imperator übergegangen, ebenso wurden der Ü8ou8 und das
aerarium militare dem Senate unnahbar, und von seiner früheren Ober¬
finanzgewalt (das Volk hatte sie ebenfalls angegriffen, man denke an
die attalische Erbschaft!) war ihm nur die Mitaufficht über das aerarium,
die Staatskasse, verblieben. Seine gerichtliche Macht wurde durch Au¬
gustus nicht beeinträchtigt, wenigstens nicht geradezu, und der Senat
kam sogar in den ganz unerwünschten Fall, über Glieder der herrschen¬
den Familie richten zu müssen. Das Kollegium der Senatoren war
übrigens auch darum noch von großer Bedeutung, weil aus demselben
in der Regel die höheren Aemter besetzt wurden, und unter dem zweiten
Kaiser wurde es zugleich Wahlkollegium. Augustus setzte den Census
für einen Senatoren auf 1,200,000 Sestertien, den eines Ritters auf
400,000 Sestertien.
Das Volk und die Stadt Rom.
Unter Augustus hatte das Volk noch Komitien, aber nur für die
Wahlen der senatorischen Aemter; schon unter Tiberius verlor es auch
diesen letzten Schimmer seiner ehemaligen Souveränität. Dafür wurde
die plebs urbana (die gemeinen Stadtbürger) auf vielfache Weise ent¬
schädigt; die öffentlichen Prozesse, Leichen, Leichenreden, Schauspiele,
Thierhatzen, Gladiatorenkämpfe, Feste u. s. w. gaben viel zu sehen, zu
hören und zu raisonnieren und die Spenden, welche Augustus austheilte,
waren mehr werth, als diejenigen, um welche das souveräne Volk in den
letzten Zeiten der Republik seine Stimme verkauft hatte. Daß es keine
Steuer bezahlte, versteht sich wohl von selbst; was in der republikanischen
Zeit nur ausnahmsweise geschehen war, Getreidevertheilungen zu sehr