Full text: Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht ([Theil] 1)

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Das Reich der Cäsaren. 
Kriege brachte Marcellus aus dem eroberten Syrakus eine Menge Kunst¬ 
werke nach Rom, und wenn der Zerstörer Korinths, Mummius, den 
Werth der Bilder aus Stein und Erz nicht besser zu tarircn wußte 
als ein marsischer oder umbrischer Soldat, so schickte er doch einen tüch¬ 
tigen Transport derselben nach Rom, wo es also Leute geben mußte, 
welche auf solche Sachen einen sehr hohen Werth legten. Es ist wirk¬ 
lich überraschend, wie schnell die gebildeten oder vornehmen Römer Kunst¬ 
freunde und Kunstkenner wurden; schon zur Zeit des Sulla gehörten 
Kunstwerke griechischer Meister zu den begehrtesten Schätzen, und Verres, 
der Erpresser in Sicilien, welchen Cicero anklagte, griff nach ihnen mit 
gleicher Gier wie nach den edeln Metallen. Durch die Statthalter in 
den griechischen Provinzen wurden vielleicht ebenso viele Meisterwerke 
den Eigenthümern weggeuommen oder abgezwungen, als durch Eroberung 
und Kauf nach Rom kamen. Denn eigentliche Künstler wurden die 
Römer nie; in den guten Zeiten der Republik nahm die Sorge für 
Staat und Stand Patricier und Plebejer in Krieg und Frieden, letztere 
auch die Anstrengung für ihr Hauswesen zu sehr in Anspruch, als daß 
sie mit der Kunst sich hätten befreunden können; zudem hatte keines 
der italienischen Völker, mit welchen die Römer zu thun bekamen, selbst 
die Tusker nicht ausgenommen, sich in jenen Richtungen so weit ent¬ 
wickelt, um den stahlharten politischen Geist der Römer dadurch zu 
mildern; sie lernten von den Tuskern wahrscheinlich in der Baukunst, 
welche durch ihren unmittelbaren Nutzen dem praktischen Römer'zusagte 
und die er großartig weiter bildete, ebenso in den Geschäften des Feld¬ 
baues, in welchen die Tusker Meister waren. Als durch die Schätze 
Asiens die römischen Patricier sich von der einfachen und strengen Lebens¬ 
weise ihrer Vorfahren abbringen ließen, so gewannen sie gleichzeitig 
Geschmack an der griechischen Kunst und eigneten sich deren Schätze an, 
wie sie die Neichthümer der Provinzen ausbeuteten. Vornehme Kunst¬ 
freunde und Kunstkenner gab es bald in Menge, aber der römische Adel 
erzeugte keine Künstler aus seiner Mitte (wie der Adel überhaupt nie; 
sein Element ist Krieg und Politik, und entzieht er sich diesen, so stirbt 
er ab), die römische Plebs wurde aber nur roher, begehrlicher und 
niederträchtiger; sie verachtete den Stand des Handwerkers, aus dem 
der Künstler erwächst, und suchte ihre Freude bei den Nennspielen, 
Thier- und Gladiatorenkämpfen u. s. w., für welche der Staat oder 
die Vornehmen sorgten. Das Meiste noch wirkte die griechische Kunst 
auf den Handwerkerstand in den Provinzen; die verschiedenen Geräthe, 
sowohl die zum Schmucke als die zu dem Bedarf und der Bequemlichkeit 
des Hauses gehörigen, wurden bei den Römern ebenso zweckmäßig als 
schön gearbeitet, wofür die Ausgrabungen in Pompeji das vollkommenste 
Zeugniß ablegen.
	        
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