Deutschland wird ein Wahlrcich. Konrad von Fritzlar. 107
nur wenige Herren etwas wissen) keinen König über sich zu setzen,
sondern ihre Gewalt selbständig zu behaupten und auf jede Weise
zu mehren. Aber die Bischöfe waren damit nicht einverstanden; die
Spaltung Deutschlands in lauter unabhängige Staaten sagte dem dyna¬
stischen Interesse der Großen zu, nicht aber dem der Kirche; denn die
kirchlichen Würden vererbten sich nicht, und die Kirche bedurfte eines
Schirmherrn gegen dynastische Uebergriffe. Daher entschlossen sich end¬
lich die Herren der vier deutschen Hauptstämme: Sachsen, Franken,
Schwaben und Bayer, Deutschland ein Oberhaupt zu geben, und er¬
wählten den Herzog der Nheinfranken, Konrad von Fritzlar, zum Kö¬
nige, der von mütterlicher Seite her dem Hause der Karolinger ange¬
hörte. Nun wurde es auch offenbar, wie Deutschlands Verfassung, welche
es durch Karln den Großen erhalten, unter seinen Nachfolgern gänzlich
verändert worden war. Karl hatte die Herzogthümer der einzelnen
Volksstämme abgeschafft, wo er sie noch vorfand; jetzt aber haben sich
überall neue Herzogthümer gebildet, in Sachsen, in Bayern, in Lothrin¬
gen, in Alemannien, und nicht einer dieser Herzoge will dem Könige
gehorchen, dessen ganze Regierungszeit mit Kämpfen gegen dieselben aus-
gefüllt ist, die selten zu des Königs Vortheile ausschlagen; überdies
fielen 813, 815 und 817 die Ungarn ein und drangen das letztemal
bis Lothringen vor.
Der Herzog Reginar von Lothringen hatte sich Karln dem Einfäl¬
tigen von Frankreich unterworfen und es gelang Konraden nicht, die west¬
liche Vormauer Deutschlands wieder zu gewinnen. Von dem Sachsen¬
herzoge Heinrich verlangte der König die Herausgabe dessen, was er sich
von dem königlichen Gute angeeignet hatte, doch Heinrich wollte sich nicht
dazu verstehen; als König Konrad gegen ihn zog, rief er den Franzosen¬
könig um Hilfe an und huldigte diesem als seinem Oberherrn. Konrad be¬
lagerte ihn in Grona, mußte aber die Belagerung aufheben, als sich ein
französisches Heer näherte. Den Arnulf von Bayern vertrieb er zwar mehr
als einmal aus dem Lande, allein dieser kam immer wieder und behaup¬
tete sich bis zu Konrads Tod. In Alemannien warfen sich Burkart
und Adalbert, die Herren von Rhätien, zu alemannischen Herzogen auf,
wurden jedoch von den Großen ermordet. Doch die Ruhe war damit
-keineswegs hergestellt; denn die königlichen Kammerboten, die Ver¬
wandten der Ermordeten, Erchanger und Berthold, geriethen in Streit
mit Bischof Salomo von Konstanz, dem sie die Schenkungen vorenthiel¬
ten, welche der König aus seinem Gute ihm gemacht hatte und führ¬
ten ihn sogar gefangen auf eine ihrer Burgen; zwar wurde er bald be¬
freit, die Kammerboten selbst gefangen und mit Verbannung bestraft.
Indessen scheinen sie bald wieder zurückgekehrt zu sein; denn schon 915
verbündet sich mit ihnen Burkart, des ermordeten Burkarts Sohn, der aus