Object: Ferdinand Hirts Neues Realienbuch für die Provinz Brandenburg

Ergänzung für die Oberstufe. 11 
Taubstummenanstalten (Berlin, Wriezen, Guben), einer Blindenanstalt (Steglitz), 
einer Krüppelanstalt (Nowawes), in Waisenhäusern (Rummelsburg) und Ret— 
tungshäusern. 
Die Rechtspflege wird geübt von den Schiedsmännern, 104 Amtsgerichten 
¶ Richter und 2 Schöffen; leichte Straffälle), 9 Landgerichten (3 oder 5 Richter; 
schwerere Straffälle), 9 Schwurgerichten (3 Richter und 12 Geschworene; 
die schwersten Vergehen), die allhährlich mehreremal bei den Landgerichten 
zusammentreten, und dem Oberlandesgericht („Kammergericht“ in Berlin; 
5 Richter; Berufungen gegen Urteile der Landgerichte). Die öffentliche Anklage 
wird bei den Amtsgerichten durch die Amtsanwälte, im übrigen durch die Staats⸗ 
anwälte erhoben. Streitigkeiten zwischen Angestellten und Arbeitgebern schlich— 
ten die Gewerbe- und Handelsgerichte. In Gefängnissen und Zuchthäusern 
Moabit, Plötzensee, Sonnenburg, Luckau, Kottbus) bemüht man sich, die Ver⸗ 
urteilten einem geordneten Leben zurückzugewinnen. 
Die in der Mark stehenden Heeresteile waren von jeher der erprobte Kern 
des preußischen Heeres; sie bilden das Gardekorps und das 3. Armeekorps. Das 
erstere besteht aus den stattlichsten Mannschaften aller Provinzen und ist zum 
größten Teil in Berlin und Potsdam untergebracht; das letztere setzt sich aus 
Söhnen der Mark zusammen und liegt in 19 Garnisonen. Die Landesfestungen 
sind Küstrin und Spandau (Juliusturm). An Einrichtungen zur Ausbildung 
der Offiziere und Soldaten sind vorhanden eine Kriegsakademie GBerlin), 
Kadettenanstalten (Groß-Lichterfelde, Potsdam), eine Kriegsschule, eine Unter— 
offizierschule, ein Militärwaisenhaus (Potsdam), Schießplätze (Jüterbog, Kum— 
mersdorf, Tegel), Truppenübungsplätze (Tempelhofer Feld, Döberitz) und ein 
Übungsplatz für die Luftschifferabteilung (Tegel). 
9. Siedlungen. 
Die heutigen Siedlungen der Mark gehen in ihrem Ursprunge meist auf alte 
wendische Dörfer zurück. Die Kolonisten, die bei der Eroberung des Landes 
durch die Deutschen sich in ihm niederließen, erhielten sie samt ihrer Feldmark 
zugeteilt. Zuweilen mußten sie aber auch neue Dörfer gründen; man erkennt 
diese an ihren deutschen Namen. Für das erblich überwiesene Land hatten sie 
einen Erbzins (Schult) an den Landesherrn durch den „Schultheißen“ (Schulzen) 
zu entrichten; dieser erhielt ein größeres Gut, war frei vom Erbzins und hatte 
die polizeiliche Aufsicht und niedere Gerichtsbarkeit auszuüben. 
Den Rittern, die bei der Eroberung des Landes geholfen hatten, wurden oft 
neben den Dörfern größere Güter zugewiesen; es sind die heutigen Ritter— 
güter. 
Auch Klöster wurden bei der Eroberung der Mark gegründet. Die meisten 
gehörten dem Mönchsorden der Zisterzienser aus Südfrankreich. (Marienwalde, 
Chorin, Neuzelle, Dobrilugk, Zinna, Lehnin.) Nach der Einführung der Refor— 
mation wurden sie allmählich aufgehoben; die Gebäude sind zuweilen noch erhalten. 
In der Zeit der Eroberung der Mark durch die Deusschen entstanden auch 
die meisten Städte. Viele entwickelten sich aus wendischen Dörfern (Köpenick),
	        
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