Full text: H. G. Bohrs Lehrbuch der Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

1100—1517. 
107 
(1199). Der Bruder Richard Löwenherz's, Johann ohne 
Land, der Nachfolger Richards auf dem englischen Throne, 
hatte seinen Brudcrsohn Arthur, den Erben von Bretagne, aus 
dem Wege geräumt, um sich selbst der Regierung bemächtigen zu 
können. Der französische König lud ihn als seinen Vasallen 
vor die französischen Gerichtshöfe und als Johann, dem man 
sogar sicheres Geleit verweigerte, nicht erscheinen wollte, machte 
der französische König sich die Unzufriedenheit zu Nutze, welche 
die willkührliche Regierung Johanns in England erregt hatte, 
erklärte, daß er sein Lehn verbrochen habe, welches der franzö¬ 
sischen Krone anhcimfalle und zog die Normandie, Maine. 
Touraine, Anjou und Poitou ein, wodurch die französische 
Krone ein entschiedenes Uebergewicht über die Vasallen erlangte. 
Als er den Bundesgenossen des Königs von England Otto 
IV bei Bouvines (1214 p. 105) geschlagen hatte, hoffte Phi¬ 
lipp sogar Englands Thron für seinen Sohn Ludwig gewinnen 
zu können. Dieser wurde nach England hinübcrgesendet, mußte 
jedoch nach dem Tode Johanns ohne Land (1216) unver¬ 
richteter Sache nach Frankreich zurückkehren. 
König Philipp II, welcher der Günstling der Kirche und 
der Vorkämpfer in ihren Streitigkeiten war, mußte sich doch selbst 
vor ihrer Hcrrschermacht beugen. Er hatte ohne Ursache sein 
Weib Jngeborg. die Schwester des dänischen Königs Knud VI, 
verstoßen. Das Reich wurde mit dem Interdikte belegt und ob¬ 
wohl die Bischöfe des nördlichen Frankreichs dem Könige Recht 
gaben, mußte er doch seine gekränkte Gattin wieder annehmen. 
Mittlerweile war im südlichen Frankreich eine starke Bewe¬ 
gung gegen die katholische Kirche entstanden. Schon früher 
hatten von der Lombardei und den Thälern der Alpen aus Ka¬ 
tharer (die Reinen, Ketzer) die Meinung verbreitet, daß die Kirche, 
ihre Predigt, und die Gnadenmittcl, ohne Belang seien, daß jede 
gläubige Gemeinde unmittelbar durch den heiligen Geist regiert 
würde, dessen Gaben nicht von der Kirche auögingen. In der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.