fullscreen: Der Uebergang zur Neuzeit (Teil 5)

— 171 — 
Jetzt sahen die Evangelischen, worauf man hinaus wollte, und sie er¬ 
klärten, daß sie den Reichstag verlassen, ihn also sprengen würden, wenn 
man so verfahre. Jetzt legte Ferdinand den Evangelischen einen neuen 
Vorschlag vor, daß der Religionssrieden nach dem Reichstagsabschied 
von 1566 neu bestätigt werden solle. Dieser bestimmte aber, daß religiöse 
Streitigkeiten vor dem Reichskammergericht entschieden werden sollten, 
was die Evangelischen aus guten Gründen — weil nämlich dort die 
Papisten die Mehrheit hatten — nicht wollten. Alle sonst von den Parteien 
eingebrachten Zusätze und Begehren sollten beiseite gelassen werden. 
Diesem Ansinnen konnten die Evangelischen nicht zustimmen, und so 
war der Kaiser in Gefahr, die Türkenhilfe zu verlieren, wenn sich die 
Evangelischen ihm versagten. Jetzt wandte er sich an Sachsen und suchte 
es umzustimmen, und es gelang ihm. Darauf vertrauend legte der Kaiser 
einen neuen Vorschlag dem Reichstag vor, in dem er versprach, bald 
Friedensschlüsse mit den Türken und Ungarn zu bewirken, wenn man 
ihm jetzt eine ergiebige Hilfe gewähre. Von den Beschwerden der Evan¬ 
gelischen sagte er nichts. 
Da nun die Evangelischen sahen, daß sie beim Kaiser kein Entgegen¬ 
kommen fanden und sie andererseits die schwankende Haltung Sachsens 
bemerkten, beschlossen sie, um nicht durch Sachsen alles wieder verderben 
zu lassen, auszuführen, was sie gedroht hatten. Sie reichten bei dem 
Erzherzog eine Erklärung ein, daß sie sich, da ihre Forderungen unberück¬ 
sichtigt blieben, nicht länger am Reichstage beteiligen könnten. Diese 
Erklärung war unterschrieben von Kurpfalz und Kurbrandenburg, Pfalz- 
Zweibrücken und Pfalz-Veldenz, Ansbach, Eulmbach, Braunschweig- 
Wolfenbüttel, Hessen-Cassel, Baden, Anhalt und den Grafen von Wetterau. 
Kursachsen, Neuburg, Pommern, Lüneburg, Hessen-Darmstadt und die 
Ernestiner unterschrieben nicht, aber sie erklärten, daß sie auf den For¬ 
derungen der Evangelischen beständen. 
Die übrigen reisten ab. Vergebens bemühte sich Ferdinand, die 
Zurückbleibenden zu bewegen, die Beratungen ohne die Abgereisten 
fortzuführen, selbst die Katholischen erklärten, das sei gegen die Reichs¬ 
verfassung, und sie wollten auch nicht die zu bewilligenden Gelder allein 
aufbringen. Auch ein Vorschuß „auf die künftige Türkenhilfe" wurde nicht 
bewilligt. So war der Reichstag gesprengt. 
Rückblick und Vorschau. 
1- Die Katholischen waren planmäßig darauf ausgegangen, die Bestimmungen 
des Religwnssriedens anzufechten oder mindestens in einem ihnen günstigen, den 
Evangelischen ungünstigen Sinne auszulegen und so dem Protestantismus den Boden 
ferner (Existenz zu entziehen. 
2. Die Evangelischen hatten dem Kaiser durch die Bewilligungen seiner oft 
maßlosen Forderungen (es waren bewilligt 1576: 60 Römermonate, 1562: 40, 
1594: 80, 1598: 60, 1603; 86, also in 27 Jahren 326 Römermonate — 20 Millionen 
dulden!) große Dienste geleistet, trotzdem ging er auf die Pläne der Katholischen 
gegen die Evangelischen stets bereitwillig ein. 
3- Die Einigkeit der Evangelischen war nicht stark genug — vornehmlich Sachsen 
Jtorte sie immer wieder um ein für allemal solche Pläne der Katholischen zu unter¬ 
drucken. So griffen die Entschlossensten unter ihnen, voran Kurpfalz, schließlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.