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Allgemeine politische Geographie.
die er freilich nach eigenem Gutbesinden, wenn auch nicht ohne Bei¬
rath berufener Männer oder Körperschaften, giebt, ändert oder auf¬
hebt (Rußland, Österreich). Mehr oder weniger beschrankt ist der
Herrscher eines Staates, in welchem eine ständische oder eine con-
stitutionelle, d. h. auf einer Konstitution, einem geschriebenen Staats¬
grundgesetze, oder einer Reihe grundgesetzlicher Bestimmungen (wie in
England) beruhende Monarchie besteht, indem hier Reichs- oder Land¬
stände, d. h. die Vertreter der Hauptstände des Volkes (Adel, Geistlich¬
keit, Bürger, Bauern) oder von sämmtlichcn Staatsbürgern ohne Stan¬
desbeschränkung gewählte Volksvertreter, deren Versammlung Reichs¬
oder Landtag, Parlament rc. genannt wird, bei der Gesetzgebung Mit¬
wirken , die Einnahmen und Ausgaben verwilligen und den Misbrauch
der Negierungsgewalt zu verhindern berufen sind. Vorgängerin und
Vorbild dieser modernen Staatsform ist die englische Verfassung. Als
Gegensatz zur Monarchie hatte sich schon im Alterthum die Republik
(der Freistaat) ausgebildet, in welcher die höchste Gewalt entweder von
der Gesammtheit der Staatsbürger (Demokratie) oder von den
vornehmsten Geschlechtern (Aristokratie) ausgeht, indem aus ihrer
Mitte das Staatsoberhaupt (gewöhnlich jetzt Präsident genannt) auf
Zeit, selten auf Lebensdauer gewählt wird, dem wie dem constitutio-
nellen Monarchen gesetzgebende Versammlungen zur Seite stehen (in
Amerika mit Ausnahme von Hmti und Brasilien sämmtliche Staaten, in
Europa nur die Schweiz und das winzige San Marino). Föderativ¬
oder- Bundes-Staat ist derjenige Staat, welcher aus einer Mehr¬
heit von Staaten besteht, die je ihre besondere Regierung haben, aber
zur Wahrung ihrer gemeinschaftlichen Interessen im Innern und nach
außen hin zu einer Gesammtheit verbunden sind, an deren Spitze eine
Eentralregierung steht (die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika,
die Schweiz); davon wohl zu unterscheiden ist der Staaten bund
oder ein Verein von Staaten zur Sicherung der Gesammtheit und der
einzelnen Staaten ohne Centralregierung (der deutsche Bund).
§. 58. Die Macht oder Stärke der Staaten, wie sie sich nament¬
lich nach außen hin, anderen Staaten gegenüber geltend macht, beruht
keineswegs auf dem Umfang des Staatsgebiets, der sie im Gegentheil
schwächen kann, sondern hauptsächlich aus der geographischen Lage, der
Menge und physischen und intelligenten Kraft der Bevölkerung und
der daraus sich ergebenden Wehrkraft, die sich als Land- und See¬
macht äußert. Manche Staaten, die man vorzugsweise Seemächte
nennt, besitzen überseeische Länder', die zum Theil treu gebliebene
Kolonien des Mutterlandes sind. Unter den mächtigsten Staaten der
Gegenwart steht England oben an, indem es mit seiner Seemacht
und seinen überseeischen Besitzungen die ganze Erde umspannt. Als
Großmächte, von deren Eintracht der Friede der Welt abhängt,
gelten nach ihm die Staaten Europa's Rußland, Österreich,
Frankreich und Preußen, in den übrigen Erdtheilen nur die
Vereinigten Staaten von Nord-Amerika.