Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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§. 4. Sinken der päpstlichen Macht. Aufhebung des 
Tempelordens. 
Die Gewalt des Papstes erhielt in dieser Periode den ersten mäch¬ 
tigen Stoß, der aber nicht, wie bisher, von den deutschen Kaisern, sondern 
von einem Könige von Frankreich ausging. Dieser König war Phi¬ 
lipp IV. der Schöne, der Enkel Ludwig's IX. Durch die Einziehung 
vieler Reichslehen und durch die Begünstigung der Städte, deren Abge¬ 
ordnete er zu den Reichstagen berief, vermehrte er seine königliche Macht 
und wagte dann nach den geistlichen Gütern und Rechten seine Hand auszu¬ 
strecken. Hierdurch kam er in Streit mit dem Papste B o n i f a c i u s VIII., 
einem herrschsüchtigen und stolzen Manne, der sich zuerst mit einer zwie¬ 
fachen Krone und zwar mit nie gesehener Pracht krönen ließ, und in dem 
die päpstliche Gewalt ihren Höhepunkt zu erreichen schien. Die Einmi¬ 
schung des Kirchenfürsten in die inneren Angelegenheiten des Reiches reizte 
des Königs Zorn. Nachdem Beide eine Zeit lang in vorwurfsvollen 
Briefen einander ihren Unwillen in den bittersten Worten kundgegeben, 
sprach der Papst über den König den Bannfluch aus. Philipp kümmerte 
sich sehr wenig darum; er berief eine Reichsversammlung nach Paris, 
welche allen Geistlichen bei Gefängnißstrafe die Verbreitung der Bannbulle 
verbot und den Papst als einen hochmüthigen Priester seiner hohen Stelle 
für unwürdig erklärte. Bonifacius hatte in Rom wenige Freunde; er 
verlegte die päpstliche Residenz (eine unerhörte Neuerung) in seine Vater¬ 
stadt Anagni, und es war vorzüglich die Familie Colon na, welche den 
Papst mit unablässigem Haß verfolgte; denn von der alten Ehrfurcht und 
Glorie, welche den päpstlichen Stuhl umgab, waren wenige Reste übrig 
geblieben, seit er eine straflose Freistätte sittlichen Unfuges geworden war. 
Philipp sandte seinen Kanzler nach Italien, der mit Hülfe der Co- 
lonna 300 Reiter und zahlreiches Fußvolk anwarb und mit dieser Mann¬ 
schaft plötzlich in Anagni einfiel. In der florentinischen Geschichte des 
Villani wird der Vorgang folgendermaßen erzählt: 
„Also geschah es, während Papst Bonifacius mit seinen Kardinälen 
und seinem ganzen Hofe in der Stadt Alagna in Campagna sich aufhielt, 
wo er auch geboren war. Eine Wache hielt er sich nicht in seinem Pa¬ 
laste, da er weder von diesem Vertrag wußte, noch daran dachte; und 
wenn er auch davon hörte, so achtete er es nicht in seinem muthigen Sinne, 
oder, wie es vielleicht Gott gefiel, um seiner großen Sünden willen. Im 
Monat September 1303 drang Sciarra della Colonna mit 300 Leuten zu 
Fuß und zu Pferde, die ihm sehr ergeben waren, und einer Anzahl Sol¬ 
daten des Königs von Frankreich eines Morgens bei Zeiten in Alagna 
ein. Er war begleitet von den Herren Ceceano und Supino und anderen 
Baronen der Campagna, von den Söhnen des Herrn Maffio d'Alagna, 
und wie man sagte, geschah dies mit Bewilligung einiger der Kardinäle,
	        
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