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nachgeschickten Reitern eingeholt und gefangen vor den Kaiser geführt.
Das erbitterte Heer forderte ihren Tod. Der Muth verließ die sonst so
kühne Frau in der Stunde der Prüfung. Sie zitterte bei dem zornigen
Geschrei der Soldaten, die unverzügliche Hinrichtung begehrten, und schob
die Schuld des Widerstandes auf ihren Rath, den edlen und weisen Lon-
ginus, welcher ohne Klage, seine Gebieterin bemitleidend, zum Tode ging.
Aurelian hielt es unter seiner Würde, ein Weib zu tobten; er führte sie
im Triumphe nach Rom, wo sie ihr Leben auf einem römischen Landgute
nahe der Hauptstadt beschloß*). Ihre Töchter wurden mit vornehmen
Römern verheirathet. Zenobia wird von den Geschichtschreibern geschildert
als die liebenswürdigste und heroischste aller Frauen. Sie hatte bräun¬
liche Gesichtsfarbe, herrliche Zähne und strahlende Augen. Ihre Stimme
war voll und weich, ihr Geist durch männliche Studien gekräftigt. Sie
verschmähte den Gebrauch des Wagens, sie liebte die Jagd und begleitete
ihren Gemahl in kriegerischer Tracht. Hätte sie in der Stunde der Roth
den männlichen Muth in der Seele bewahrt, so wäre sie gewesen, was
man sie nannte, eine vollendete Frau und Königin.
Palmyra, Thadmor, die Stadt der Palmen, die schönste Oase in der
unfruchtbaren Wüste Arabiens, einst von Salomo gegründet, wurde zer¬
stört, aber erst im achten Jahrhundert durch die Saracenen ganz in einen
Trümmerhaufen verwandelt. Die Ruinen entdeckten zu Ende des sieben¬
zehnten Jahrhunderts reisende Engländer; die großartigen Reste werden
noch jetzt als Wunder der Baukunst angestaunt.
Aurelian unternahm darauf einen Feldzug gegen die Perser, um die
Schmach des Kaisers Valerianus zu rächen, wurde aber auf Anstiften sei¬
nes treulosen Geheimschreibers ermordet. Seine Soldaten bestraften die
Mörder, und wie sehr sie jetzt von dem Geiste der Zucht und Ordnung,
*) Beschreibung von Aurelian s Triumphzug.
Den Zug eröffneten 20 Elephanten, 4 Königstiger und über 200 der seltensten
Thiere aus allen Himmelsstrichen. Ihnen folgten 600 Gladiatoren, bestimmt für das
grausame Vergnügen des Amphitheaters. Die Reichthümer Asiens, die Waffen und
Fahnen so vieler besiegten Völker, das viele Gold- und Silbergeschirr und die glän¬
zende Garderobe der syrischen Königin waren in genauer Symmetrie oder in künstlicher
Anordnung aufgehäuft. Die Abgesandten aus den fernsten Erdtheilen, aus Aethio-
pien, Persien, Bactrien, Indien und China in reicher und seltsamer Tracht. Eine
große Anzahl goldener Kronen, die Weihgeschenke dankbarer Völker und Städte, die
der Kaiser zum Zeichen seiner Macht zur Schau ausstellte, dann der lange Zug Ge¬
fangener, die unwillig dem Triumphe beiwohnten, Gothen, Vandalen, Sarmaten, Ale¬
mannen, Franken, Gallier, Syrier, Aegypter. Jedes Volk wurde durch eine besondere
Inschrift bemerklich gemacht und der Titel „Amazonen" zehn tapferen gothischen Frauen
beigelegt. Alle Blicke aber weilten auf Tetrikns, welcher zum Gegenkaiser in Gallien
ernannt worden war, und auf Zenobia's schöner Gestalt, die mit goldenen Fesseln be¬
lastet war. Ein Sklave trug die goldene Kette, die ihren Nacken umschloß, und sie
erlag fast dem unerträglichen Gewicht der Juwelen. Sie schritt zu Fuße dem pracht¬
vollen Wagen voraus, auf welchem sie gehofft hatte, einst selbst in Rom einzuziehen.