Full text: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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und dadurch das Mißtrauen der andern erweckte, die in ihrer eigenen Frei¬ 
heit beeinträchtigt zu werden fürchteten. Die Vorherrschaft (Hegemonie) 
Sparta's war bisher ruhig ertragen worden, weil die Politik der Spar¬ 
taner sich der Hauptsache nach nur darauf beschränkte, das Bestehende zu 
erhalten. Jetzt aber erhob Athen das Haupt und, durch Geist und That- 
kraft allen griechischen Staaten vorangehend, begann es seine Macht auch 
äußerlich fühlbar zu machen. Der griechische Geschichtschreiber Thucydides 
schildert, nach seiner strengen und haarscharfen Weise, den Unterschied des 
spartanischen und athenischen Nationalcharakters durch den Mund eines 
korinthischen Gesandten in Sparta: „Sie sind unternehmend und rasch im 
Entwerfen unv in der Ausführung dessen, was sie beschließen", sagt er 
von den Athenern; „ihr aber seid stets nur bereit, das Bestehende zu er¬ 
halten, ohne etwas Weiteres zu unternehmen: sie wagen über ihre Kräfte 
und sind in Gefahren voll Hoffnung. Euch aber ist es eigen, in der Aus¬ 
führung unter euern Kräften zu bleiben und selbst den sichern Plänen nicht 
zu trauen. Sie sind rastlos thätig, ihr aber langsam: sie reiselustig, ihr 
die größten Heimathsfreunde. Sie glauben durch den Aufenthalt in der 
Fremde zu gewinnen, ihr aber durch einen Kriegszug den vorhandenen 
Besitz zu schmälern. Sie mühen sich bei Allem, was sie erstreben, ihr 
ganzes Leben unter Anstrengungen und Gefahren ab, auch genießen sie 
wenig, was sie besitzen, weil sie stets nach Erwerb trachten und thatlose 
Ruhe nicht minder für ein Hebel halten, als mühselige Geschäftslast. Mau 
könnte sie deshalb ganz kurz und richtig so schildern: sie seien nach ihrer 
Gemüthsart dazu gemacht, weder selbst Ruhe zu haben noch andern Men¬ 
schen Ruhe zu lassen." 
Nach der Verbannung des Themistokles stand an der Spitze des 
athenischen Staates Aristides, der, wenn auch nicht für einender geist¬ 
vollsten unter den griechischen Staatsmännern, doch für den redlichsten, 
reinsten Charakter, vielleicht den einzigen völlig fleckenlosen des griechischen 
Alterthums, anerkannt wird. Das Volk nannte ihn vorzugsweise den Ge¬ 
rechten. Als im Theater einst in einer Tragödie des Aeschhlos die 
Verse gesprochen wurden: 
„Denn nicht gerecht nur scheinen will er, sondern sein, 
Einerntend Frucht vom tiefen Saatfeld seiner Brust." 
Da richteten sich alle Blicke auf Aristides. Im Dienste für das Wohl 
des Vaterlandes vergaß er sein eigenes so sehr, daß er, zu seiner Zeit der 
erste Mann Athens, in Armuth starb und der Staat für seine Beerdigung 
sorgen und seine Kinder ausstatteu mußte. 
Einer der Trefflichen auch war Cimon, des Miltiades Sohn. Der 
Geist der Marathonkämpfer ruhte aus ihm, er war der Hort der Griechen 
gegen die Perser, die er Schritt für Schritt von den Inseln und dem 
asiatisch-griechischen Festlande zurückdrängte. Seiner Vorliebe für Sparta 
und seiner im Ganzen friedlichen Politik hatte er es zu danken, daß auch 
er einige Jahre aus Athen verbannt ward. Doch rief man ihn zurück, als
	        
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