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in die verwirrten öffentlichen Angelegenheiten zurückzuführen; vor Allen
aber der spartanische Flotteuführer Kallikratidas. Er gehörte zu der
kleinen Zahl hellenischer Männer, die in dem wilden Getriebe der Partei¬
leidenschaft einen freien Blick hatten und ein Herz für das Gesammtvater-
land. Als der persische Sold für die spartanischen Schiffsleute ansblieb
und er gezwungen war, deshalb nach Sardes zu reisen, hielt er es für
eine Schmach der Griechen, den Barbaren zu schmeicheln um des Geldes
willen. Er nahm sich vor, bei seiner Rückkehr alle Kräfte aufzubieten, um
die Athener und Lacedämoner zu versöhnen. Er fand seinen Tod in der
großen Seeschlacht bei den Arginusen (drei kleine Inseln an der les¬
bischen Ostküste), wo die Athener einen zweifelhaften Sieg errangen. Bei
dieser Schlacht ereignete sich das Schreckliche, daß die athenischen Anführer,
durch stürmisches Wetter verhindert, nach beendigtem Kampfe die Bestat¬
tung der Todten und Rettung der Schiffbrüchigen verabsäumten. In der
Heimath angekommen, wurden die sechs Feldherren nachträglich deshalb
vor Gericht gestellt und zum Tode verurtheilt. Die tiefste Beschämung
folgte ans die rasche That, denn, es war in Athen nicht Ueberfluß mehr an
tüchtigen Kriegsmännern.
Zn Sparta ward der Oberbefehl nach Kallikratidas' Tode znm zweiten
Mal in die Hände des kühnen und schlauen Ly fand er gelegt. Cyrus
der Jüngere, Sohn des persischen Königs Darins ll. und Statthalter
von Kleinasien, war sein Freund und nächster Verbündeter, der ihn mit
Geld und Schiffen so reichlich unterstützte, daß die spartanische Flotte da¬
durch die Uebermacht erlangte. In der Seeschlacht bei Aegospotamos
(am Ziegenflusse) erlitten die Athener die letzte und entscheidende Nieder¬
lage. Lhsander bemächtigte sich der gesammten Flotte, während die Mann¬
schaft sich sorglos am Lande vergnügte. Von ihren Schissen abgeschnitten,
wurden die Athener mit leichter Mühe umzingelt und gefangen. Es star¬
ben ihrer auf den Spruch des Kriegsgerichts 3000 auf dem Richtplatze.
Den ersten Stoß empfing der athenische Feldherr Philokles.
Von dieser Stunde an war der Fall Athens entschieden. Als die
Nachricht von der verlorenen Schlacht in die Heimath gelangte, verbreitete sich
Wehklage vom Piräeus bis in die Stadt. Einer verkündete es dem An¬
dern, Niemand legte sich zur Ruhe in dieser Nacht. Den nächsten Morgen
schritt man zur Volksversammlung, die Mauern sollten in Stand gesetzt,
die Eingänge der Seehäfen verschüttet werden. Alles vergeblich! Vom
Isthmus zog ein starkes spartanisches Heer unter dem König Pausanias
heran und vereinigte sich mit den Truppen des Königs Agis bei der Aka¬
demie, sechs Stadien von der Stadt entfernt, während Lhsanders Flotte
den Hafen sperrte. So von der Land- und Seeseite eingeschlossen, gerieth
Athen in die entsetzlichste Noth. Hunger und Krankheit wütheten inner¬
halb der Mauern, Trostlosigkeit und Verzweiflung lähmten jeden Wider¬
stand. Durch Vermittelung des Therameues kam endlich ein Vergleich