I Die Völker des Morgenlandes
8. 1. Verbreitung der Urvölkcr. China.
38em> wir einen Blick ans die Landkarte von Asien werfen, so sehen wir
diesen Erdtheil von einem ungeheuren Gebirgsrücken in der Richtung von
Südwesten nach Nordosten durchschnitten, dem mittelasiatischen Hochlande,
dessen nördliche Grenze das Altaigebirge ist und welcher Asien in zwei
Hälften abtheilt. Den südlichen Rand dieses mächtigen Hochlandes bildet
das höchste Gebirge der Erde, der Himalajah, welcher in allen Volksüber¬
lieferungen als die Wiege der Menschheit bezeichnet wird. Unnahbar schim¬
mernde Eisberge und Schneefelder, über welche die tropische Sonne keine
Gewalt hat, bilden die oberste Kette des Gebirges; an den tieferen Ab¬
hängen schließt sich ein stromreiches Hügelland an, das gesegnetste der
Welt. Nach den Berichten der Reisenden vereinigen sich ans jenem Boden
alle Vorzüge der Erde; Großartigkeit und Lieblichkeit, Anmnth und reichste
Fülle. Das mildeste Klima herrscht hier, ein ewig heiterer Himmel; die
hohen Gebirge sänftigen die übermäßige Hitze, die Ströme befeuchten den er¬
giebigsten Boden. Es gedeihen hier die Erzeugnisse der südlichen und der ge¬
mäßigten Zone friedlich nebeneinander. Grund genug, um diesen Winkel der
Erde als Wohnung der ersten Menschen in der Urzeit anzunehmen, als jenes
paradiesische Wunderland, welches in den Sagen aller Völker wiederklingt.
Indessen weisen die uralten Ueberlieferungen entschiedener noch, und
gewiß nicht mit minderem Rechte, nach dem Tübetanischen Hochlande
hin. Es glauben die Gelehrten, daß, bei allmähliger Abkühlung der Erde
und durch gewaltsame Naturereignisse, oder auch wegen Uebervölkerung, die
ersten Auswanderungen gegen die Ebene zu erfolgten. Eine Thatsache, die
unsere neuen Sprachforscher deutlich bewiesen haben, ist es wenigstens, daß
die Geschichtsanfänge der alten Kulturvölker alle auf diesen einen Punkt
zurückgehen; denn in Tübet wohnte jenes kühne, edle Volk, die Arja
oder Arier (die Trefflichen), welches als Stammvolk der indogermanischen
Nationen angenommen wird. Von den Bergen dieses Hochlandes aus ging
der große Zug der Kultur von Osten nach Westen und das Meer setzte