Full text: [Geschichte des Alterthums] (Theil 1)

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dieser Eigenthümlichkeit hervorgegangenen Grundsätzen unausgesetzt treu, 
nur einen Gedanken, ein Ziel des staatlichen und bürgerlichen Lebens ver¬ 
folgten, fügte sich das Schicksal der geistigen Macht des einheitlichen Wil¬ 
lens und ein Glied schloß sich fest und gewaltig an das andere. Dieser 
Entwickelungsgang wiederholt sich zwar mehr oder weniger in jedem Volks¬ 
und Menschenleben, doch selten mit solcher Bestimmtheit und Schärfe, wie 
in dem Leben des römischen Volkes. Rom ward aus dem armseligen, 
kleinen Flecken zur Welthauptstadt, durch die ehernen Grundsätze der Re¬ 
publik, denen alle Welt wich: nie nachzulassen, bis der Feind im Staube 
lag; nie zu verzagen im Unglück; Alles einzusetzen, um Eines zu erreichen, 
und um des Zweckes willen kein Mittel zu scheuen, welches zu seiner Er¬ 
reichung nützen könnte. Wer nicht für mich ist, der ist wider mich; das 
war der Wahlspruch, nach welchem die Römer sich den fremden Völkern 
gegenüber stellten. Für sie gab es nur Unterworfene oder Feinde. Wie 
hätten sie nicht die Welt erobern sollen? 
Den Römern stand an der Spitze aller Wünsche, Grundsätze, Hand¬ 
lungen der Staat, das Vaterland, welches jeder häuslichen oder öffent¬ 
lichen Lebensform den Stempel der Gleichmäßigkeit aufdrückte. Kein ein¬ 
zelner Bürger sollte und konnte mehr sein, als der andere. Keiner sollte 
mehr oder weniger thün, als sein Haus in guter Zucht halten und an den 
Gemeindeangelegenheiten mit Rath und That sich betheiligen. Die altrö¬ 
mische Sitte bannte den Römer in einen engen Kreis des Denkens und 
Handelns; und ernst und streng, nach der lateinischen Ausdrucksweise 
„traurig und schwer gelebt zu haben", war der Ruhm des Mannes. In¬ 
dem aber der Einzelne nichts sein sollte, als ein Glied der Gemeinde, 
ward der Ruhm und Glanz dieser Gemeinde um so lebendiger von jedem 
ihrer einzelnen Glieder empfunden, und ging als theuerstes Erbe von Fa¬ 
milie zu Familie auf die Nachkommen über. So stieg das Gesammtge- 
fühl der edlen römischen Familien zu „jenem gewaltigen Bürgerstolz", 
dessen Gleichen die Erde wohl nicht wieder gesehen hat und dessen so 
fremd- und großartige Spuren, wo wir ihnen begegnen, uns gleichsam 
einer andern Welt anzugehören scheinen." Geschlecht aus Geschlecht ward 
in die Gruft gelegt, und stets häufte das folgende zu den alten Ehren 
neuen Erwerb. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß oft in kleinen 
Zügen ganze Lebensseiten eines Menschen oder Volkes sich wiederspiegeln. 
So war die Sitte der Ahnenprocession bei der Leichenfeier der vornehmen 
römischen Bürger vielleicht der bezeichnendste, aus der Tiefe solcher An¬ 
schauungen hervorgegangene unter den römischen Gebräuchen. Wie es in 
Rom Sitte war, nach dein Verstorbenen Gesichtsmasken zu fertigen, welche, 
möglichst ähnlich und lebendig dargestellt, im kostbaren Schrein bewahrt, 
die Ahnentafel, das höchste Besitzthum der Familie, bildeten, so wurden 
mit diesen Masken und der entsprechenden Amtstracht bei der Leichenfeier 
eines Gliedes desselben Familienstammes, eine Anzahl geeigneter Leute, 
gewöhnlich Schauspieler, bekleidet, so daß die Vorfahren, jeder in dem von
	        
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