Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Töchterschulen

I. Abschnitt. Die Urvölker, v. d. ältesten Zeiten bis 500 v. Chr. 7 
gehindert. Die höchste derselben war die der Priester, 
welche in jeder Stadt einen Haupttempel hatten,, und im 
Besitze der schönsten Ländereien, so wie aller Kunst und 
Wissenschaft waren. In ihren Händen lag die Erziehung 
der Kinder, und aus alle Zweige des Lebens übten sie 
großen Einfluß. Nach dieser Kaste war die höchste die der 
Krieger, aus der auch die Könige gewählt wurden, die aber 
nach ihrer Thronbesteigung zur Priesterkaste gehörten. Die 
niedrigste Kaste war die der Hirten, unter denen die Sau¬ 
hirten eben so verachtet waren, wie in Indien die Pariahs. 
Die Religion der Aegypter hatte einen ernsten Cha¬ 
rakter. Das Volk betete Thiere an (Katze, Hund, Ibis, 
Krokodil u. a.), besonders den Apis, in welchem der höchste 
Gott Osiris verehrt wurde. Damit verbanden die Aegyp¬ 
ter den Glauben an eine läuternde Seelenwanderung 
und an Belohnungen und Strafen nach dem Tode, und mit 
diesem Glauben hing nicht nur ihre Sorge für die Erhal¬ 
tung der Leichen durch.Einbalsamiren (Mumien) und die 
Aufbewahrung derselben in festen Gräbern zusammen, 
sondern auch ihr ganzes Leben, selbst ihre Freuden, erhielt 
dadurch einen ernsten Charakter. 
Den Priestern waren die vom Volke verehrten Thiere, ja die Götter 
selbst, nur Symbole. Osiris war ihnen Symbol der Sonne und des 
Segen spendenden Nils, seine Gemahlin Isis, der Mond, die befruch¬ 
tete Erde, Typ hon, der Gott des Bösen, die zerstörende Kraft und so 
alle Götter Natnrkräfte und nach ihrem Wesen eins (Tempel 
der Isis zu Sais). — Der Hauptgott von Memphis war der Feuergott 
Phtah; der Hauptgott von Theben war Ammon. 
In engem Zusammenhänge mit der Religion stand bei den Aegyptern 
die Kunst. Von Dichtkunst finden wir bei ihnen keine Spur; dage¬ 
gen zeichneten sie sich in der Baukunst aus. Ihre Bauwerke, bei 
■ denen, wie in ihrer Bildhauerkunst (die kolossale Sphinr bei Gizeh, 
120' lang, vom Kinn bis zum Scheitel 26' hoch; die Bildsäule des 
Ostmündias, deren Fuß 10' lang war; die Bildsäule des Memnon) 
nicht das Schöne, sondern das Dauerhafte, Coloffale, mit heiliger Scheu 
Erfüllende den Hauptcharakter bildet, dienten theils unmittelbar dem 
Gottesdienste als Tempel und Tempelpaläste (der Jsistempel zu Dön- 
derah, der Palast des OsymandiaS und das M emnonium zu Luror), 
theils waren es Begräbnisstätten (die Katakomben, die 40 Königs¬ 
gräber bei Theben). Die ältesten ägyptischen Bauwerke sind die Py¬ 
ramiden, besonders bei dem alten Memphis, die höchste unweit Ka- 
hira 468' hoch, Grabstätten der Könige. Schon aus späterer Zeit rührt 
das jetzt völlig zerstörte, aus 3000 Kammern bestehende Labyrinth 
her, dessen Bau wahrscheinlich von dem c. 2200 vor Chr. lebenden Kö¬ 
nige Möris begonnen wurde, welcher auch den jetzt trockenen See Mö- 
ris ausgraben ließ. Zu welchem Zwecke daS Labyrinth diente, ist eben 
so ungewiß, wie die Bestimmung der aus einem Felsblock bestehenden, 
50 —180' hohen und mit Bilderschrift (Hieroglyphen) bedeckten 
Obelisken. — Auch die Musik diente den Aegyptern nur zu reli¬ 
giösen Zwecken. — 
Von geringer Bedeutung war die wissenschaftliche Bildung der alten 
Aegypter. Jedoch besaßen sie Kenntnisse in der Feldmeßkunst, zu
	        
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