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Zweites Hanptstück.
bietet das von den Chinesen durchwanderte Land der jetzi¬
gen Khvrkatschi - und Kukunor - Mongolen nicht nur sei¬
nen Bewohnern, sondern auch zwei Strömen überreiche
Quellen dar. Denn von hier aus brechen sich der Ho-
nanghv und der Jantsekiang, jener durch das Jnschan-,
dieser durch das Aünling-Gebirge, ihre Bahnen nach
China hinab, um nicht sehr entfernt von einander in den
östlichen Ocean auszuströmen, gleichwie sie auf dem Hoch¬
lande nachbarlich ihren Ursprung genommen haben. Viel¬
leicht, daß die Stammväter der Chinesen den Krümmun¬
gen des erstgenannten Stromes gefolgt sind; gewiß aber
haben sie sich, bevor sie in das Tiefland herabstiegen, ge¬
raume Zeit in den hvchliegcnden Gegenden aufgchalten
und dort als Nomaden umgetriebcn. Wenn das Fami¬
lienleben durchaus als die Grundform jedes Verhältnisses
zwischen Menschen und Menschen betrachtet werden muß, so
gilt dieß besonders von Hirtenvölkern, weit ihre Gesellschaft
nicht ein förmlicher Verband, sondern btvö eine Aneinan¬
derreihung von Familien ist. Innerhalb seines Zeltes
und so weit sein Vieh grast, hat jeder Hausvater selbst
zu befehlen; wenn es sich aber von Dingen handelt, die
jede einzelne Familie, also alle zusammen betreffen, so
tritt, unter dem Beirathe der Aeltesten, das Stammhaupt
ein, dessen Gewalt folglich nur als eine Ergänzung der
väterlichen, demnach als die eines übergeordneten Haus¬
vaters erscheint. Weil der Nomade kein ruhendes Eigen¬
thum und keine bleibende Stätte hat, so bietet ihm die
Familie und der Stamm die einzigen Haltpunkte dar,
woran sein flüchtiges Dascyn sich knüpfen läßt. Um von
Andern unterschieden zu werden, muß er den Vater, den
Groß- und Urgroßvater nennen; um als Mitglied des
Stammes zu erscheinen, muß er sich auf das Oberhaupt
desselben berufen. Daher die Sitte der Nomaden, viel
auf Geschlechtsregister zu halten; daher das Bestreben,