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Zweites Hauptstück.
aufgeschlossen. Daß es so kommen werde, hat Kongfutse
allerdings nicht vorausgesehen; aber daß es so gekom¬
men ist, müssen wir als ein nothwendiges Ergebniß sei¬
ner Lehre betrachten. Gehen wir daher ans diese über.
Ticn, der höchste Herrscher und Herr, durchdringt
Alles und weiß Alles; er hat keine Ohren, und doch
gibt es nichts, das er nicht vollkommen hörte; er sieht
nicht mit Augen, doch ist nichts, das er nicht vollkom¬
men schaute; er ist das Erbarmen selbst, aber er prüft
auch Alles und hält über Alles sein Gericht. Während
das erste Glied des Alls der Himmel ist mit seinem im
Lauf der Gestirne sich abspiegelnden Gesetz, das zweite
Glied die Erde mit Wasser, Feuer, Metallen, Winden,
Donner, Regen und allen ihren Erzeugnissen, so tritt
der Mensch als das dritte Glied auf, unter allem Leben¬
digen allein mit Erkenutnißvermögen begabt und mit
der Fähigkeit zum Guten oder Ävsen ausgerüstet. Als
dieses wesentliche Glied im All greift er auch noth-
wendig ein in das Bestehen des Ganzen. Bleibt er in
der rechten Mitte, regelt er durch Vernunft die Leiden¬
schaften, so ist Gleichgewicht im Ganzen und der Mensch
wirkt in Gemeinschaft mit Himmel und Erde zur Erhal¬
tung und Beschützung der Dinge in ihrem Daseyn. Der
Zustand der Vollkommenheit des Alls wird erreicht. Aber
durch die Sünde des Menschen und sein Abweichcn von
der rechten Mitte wird das Gleichgewicht im Leben des
Weltalls gestört ; der Lauf der Gestirne, die Jahreszei¬
ten, der Vvgelflug, die Witterung, gerathen in Unord¬
nung , wenn aus des Menschen Brust das rechte Maaß
verschwunden ist. Der Kaiser insonderheit ist der Sohn
des Himmels, ein Abbild und Stellvertreter desselben
auf Erden. Daher soll er, dem Himmel ähnlich, das Volk
durch Wvhlthaten beglücken; daher haben auch seine
Fehler zumeist eine Zerrüttung der Natur unmittelbar in