Full text: Mit einem Stahlstich (Bd. 1)

Aus der Theilung hervorgegangne Reiche. 461 
zuglcichen, den Widerwillen der Asiaten, den Uebermuth 
dcr Macedonier, den hämischen Spott der Griechen zu 
dämpfen. So scheint es denn, Kassandcr sey den beiden 
andern Fürsten gegenüber durchaus im Vortheile gewesen, 
da sein Reich, mit Griechenland vereint, ein mäßig großes, 
zusammenhängendes Gebiet umfaßte, dessen Bewohner 
durch Sprache und Religion miteinander verbunden wa¬ 
ren. Und mußte es nicht jedem Griechen einlcuchten, daß 
Widerstand keinen bleibenden Erfolg habe, daß man end¬ 
lich einmal der Ruhe bedürfe, daß cs folglich besser sey, 
dem verwandten macedonischen Herrscher zu gehorchen, 
als nach einer vorgespiegelten Freiheit zu trachten, mit 
welcher sich immer nur die Herrschsucht eines Dritten be¬ 
schönigen wollte? Allein eben diese Einsicht fehlte den 
Griechen gänzlich, und solange dieß der Fall war, konnte 
Macedonien stets wieder von Griechenland aus beunruhigt 
werden. Weil die drei Reiche, wenn auch nur auf kurze 
Zeit, ein Ganzes gebildet hatten, weil die Fürsten, Beam¬ 
ten und Krieger allesammt dem nämlichen Volke ange¬ 
hörten, also auch die griechische Sprache durchaus als 
Sprache des Hofs und des feinen geselligen Umgangs be¬ 
trachtet wurde, so fand zwischen Macedonien, Syrien und 
Aegypten eine genauere Beziehung Statt, als wir zwi¬ 
schen größern Staaten bisher zu beobachten Gelegenheit 
hatten. Keiner der macedonischen Fürsten konnte irgend 
einen Schritt von Belang thun, ohne Rücksicht darauf zu 
nehmen, wie die andern hiebei sich verhalten würden, 
keiner insonderheit sich vergrößern — und wäre es auf 
Kosten eines fernen barbarischen Stammes geschehen — 
ohne daß die übrigen dieß gerade so empfunden hätten, 
als wäre das Eroberte unmittelbar ihnen selbst entrissen 
worden. Diesem Streben nach Gleichgewicht lag jedoch 
keineswegs die Uebcrzcugung zu Grunde, daß die wahren 
Interessen des eignen Staates am besten gefördert werden,
	        
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