Full text: Abriß der Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

Die europäische Civilisation der Gegenwart. 221 
vollkommnuug des äußeren und inneren Lebens der Menschen getragen. Die 
Erfindungen, welche mit ihrer Hülfe die neueste Zeit hervorgerufen hat, 
dienen theils, wie die Dampfmaschine (vorzüglich seit Watt's Verbesserungen, 
1773, in allgemeinerem Gebrauch), zur Ersparung von Menschenkraft bei den 
niederen mechanischen Arbeiten, theils zur Förderung des Verkehrs, wie die Dampft 
schiffe und Eisenbahnen, welche Menschen und Waareu in früher unerhörter 
Raschheit über Meer und Land dahin führen, und der elektromagnetische Tele¬ 
graph, der die Gedanken mit einer Geschwindigkeit verbreitet, welche die des Licht- 
strahls übertrifft (durch Kabel auch unter den Meeren hin). — Je mehr die 
Wissenschaft zugleich die Nebel des Wahnes und Aberglaubens zerstreuet und die 
Sonne der Religion in reinerem Glänze strahlen läßt, desto edlere Früchte der 
Humanität reifen in ihrem Lichte, die mehr und mehr allen Nationen wie 
jedem Einzelnen im Volke zu Gute kommen. Sklaverei und Leibeigen- 
schaft sind von der Meinung des gebildeten Europa gebrandmarkt; dem Sklaven- 
Handel treten die gemeinsamen Anstrengungen der europäischen Mächte entgegen; 
der Anfang zur Aufhebung der Negersklaverei in Westindien ist von England 
ausgegangen; durch die jüngste Unterwerfung der Südstaaten unter die nord- 
amerikanische Union (S. 213) ist ihr auch dort ein Ziel gesetzt; — in 
Brasilien als Endtermin das Jahr 1900 festgestellt (S. 214). Die Abschaf¬ 
fung der Leibeigenschaft und die Ablösung der bäuerlichen Lasten hat 
sich seit der französischen Revolution immer weiter durch Europa verbreitet 
(letztere in Deutschland vorzüglich seit 1830, erstere 1836 in Ungarn, 1848 in 
Galizien, unter Alexander II. auch in Rußland). Und dieser großartige Fort- 
schritt des Revolutionszeitalters (1789 ff.) gestaltet allmählich den Bauernstand 
neben dem Bürger stände zum „Kern der Nationen". 
Die Sorge für das materielle wie für das geistige Wohl der 
niederen Klassen tritt in den gebildetsten christlichen Staaten in einer Menge 
von Anstalten und Vereinen zu Tage (Volksschulen, Kinderbewahranstalten, 
Mäßigkeitsvereinen tc. — Taubstummen- und Blindenschulen, — Idioten- und 
Besserungsanstalten, verbesserten Gefängnissen:c.); und wie viele verfehlte Ver- 
suche auch zu diesem Zwecke unternommen werden (Socialismns, Commnnismns), 
noch ist zu hoffen, daß die Besorgniß, die „Arbeiter" (Tagelöhner) als einen 
vierten Stand feindselig den bevorzugten Klassen der Staatsbürger gegenüber- 
treten zu sehen, durch treues Wirken für das leibliche Wohl und den geistigen 
Fortschritt aller Staatsangehörigen beseitigt werden könne. 
Die besonders seit den Revolutionen d. I. 1830 auf dem (kontinente (wie 
schon längst in England, der Schweiz zc.) verbreiteten Vereine für gemeinsame 
Bestrebungen auf den verschiedensten Gebieten haben namentlich nach dem Volks- 
ausschwunge im I. 1848 durch das gesicherte „Vereinsrecht" eine immer 
höhere Bedeutung erlangt. Und durch die seit der zunehmenden Deffentlich- 
feit der Staatsangelegenheiten (der Finanzen, Gerichte jc.) zugänglicher ge¬ 
wordene Kenntniß von den praktischen Lebensverhältnissen ist den Vereinen 
aller Klassen von Staatsbürgern die Berechtigung zur Beurtheilung der öffent- 
liehen Angelegenheiten in ihren Kreisen von den Regierungen selbst zugestanden; 
ja diese stützen sich immer mehr bei der Gesetzgebung auf die praktische Ein-
	        
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