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Zweites Hguptftück.
sten 15 Tage verstoßen ohne Kampf: in der Stadt blieb
alles still, als ob kein Türke darin wäre, so daß die
Christen im Gefühle der Sicherheit ihre Lebensmittel ver¬
geudeten : unerwartet machte der Feind einen desto ver¬
derblicher« Ausfall, und täglich erneuerten sich nunmehr
die Gefechte, wobei abwechselnd einer der Fürsten den
Oberbefehl führte; bald trat Hungersnoth ein, die fort¬
während zunahm, weil das schlechte Wetter im Gefolge
des Winters jede Zufuhr erschwerte; durch Regengüsse
und Frost wurden Krankheiten unter Menschen und Thie-
rcn hcrbeigeführt, so daß im vierten Monate der Bela¬
gerung von 70,000 Pferden nur noch 2000 übrig waren;
daher allgemeine Muthlosigkcit, zumal als Gottfried
schwer erkrankte und die Nachricht einlief, Suenv, der
dänische Kvnigssvhn, sey in Klemasien von den Türken
mit 1500 Manu und seiner Braut Florine von Bur¬
gund nach heldeumüthigem Widerstande erschlagen wor¬
den: Diele eilten zu Balduin nach Edessa, oder nach Ci-
licien oder Cypern; auch Robert von der Normandie
kehrte erst auf strenge Anmahnung von Laodicea zurück:
daß Wilhelm der Z i m m ermann entweichen wollte,
ist kein Wunder, denn er war so ehrlos als stark; aber
selbst Peter der Einsiedler, der freilich vor Vorwürfen
keine Ruhe mehr hatte, ward von Tankred auf der Flucht
ergriffen, und Taticius sammt den Griechen zog ab,
unter dem Versprechen, den Kaiser zu nachdrücklicher
Hülfe zu bewegen. In der Meinung, dieß alles sey ein
Strafgericht wegen ihrer heimlichen Sünden, bestärkte
die Kreutzfahrer ein heftiges Erdbeben, welches am ersten
Januar das ganze Land erschütterte, und ein helles
Nordlicht, eine Vielen zuvor unbekannte Erscheinung.
Darum verordnete Ademar von Puy als päbstlicher Legat
ein dreitägiges Fasten, Prozessionen, Almosen, feierliche
Messen und Absingung von Psalmen; nicht blos Dirnen,
sondern Ehefrauen auch entfernte man aus dem Lager,
legte das Gebot der Keuschheit und Mäßigung allen Wall¬
brüdern strenge auf und ahndete jede Uebertretung mit