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Zehntes Hauptstück.
und sogleich setzte ein Manifest sein Recht auf Neapel
auseinander, ohne daß dabei der jüngere Nene von
Lothringen, mütterlicher Enkel des altern, irgend berück«
sichtigt worden wäre. Und sogar noch weit über Neapel
hinaus flogen die Entwürfe des Königs'; er hatte sich
von Andreas Paläologns, Neffen des letzten griechischen
Kaisers, gegen geringe Schadlvshaltnng auch das Recht
auf den byzantinischen Thron abtreten lassen, wollte durch Ba-
jesids II. Bruder D sch em, welchen die Johanniter 1489 an
Jnnocenz VII. ausgeliefert hatten, Zwietracht im Reiche der
Osmanen erwecken, und hoffte dergestalt nicht nur die
Türken aus Europa zu vertreiben, sondern selbst die Be¬
freiung des h. Grabes endlich noch zu erzwingen. Mit
Besorgniß sah Ferdinand I. von Neapel das Ungewitter
sich zusammenziehen, gab daher jetzt 1493 Sancia, die
natürliche Tochter des Herzogs von Calabricn, dem
Giuffri Borgia zur Ehe, und bestimmte ihr das Fürsten»
thum Sguillace mit 10,000 Dukaten Einkünften als Mit¬
gift, worauf Pabst Alexander freundlichere Gesinnungen heu¬
chelte. Doch sollte Ferdinand den Einbruch des Unheils
nicht mehr selbst mit ansehen: er starb am 25. Jan. 94,
und hinterließ seinem Sohne Alfons II. das Reich.
Karl sandte unter Herzog Ludwig von Orleans und dem
Feldherr» d'Aubigny ein Heer, bestehend aus 3600
Gensdarmes, 6000 bretvnifchen Bogenschützen zu Fuß,
6000 französischen Armbrustschützen, 8000 gascognischen
Fußgängern mit Luntenbüchsen und Flammbergen, und
8000 fehweitzerischen Hellebardieren mit 140 Stücken Ge»
schütz, über die Alpen, stellte sich den 24. August selbst an
die Spitze, und fand bis zur Gränze Toskanas keinen
Widerstand. Die Florentiner hatten eine Kommission
zur Vertheidigung der Gränzen ernannt, Pietro dersel¬
ben aber die nvthigen Mittel verweigert. Als daher die
Franzosen rasch Fivizzano erstürmten, geriethen die bis¬
her noch in Schranken gehaltnen Gegner der Mediceer
plötzlich in Schwung; Pietro, von zwei Seiten geschreckt,