194 Die historische Zeit. 
gehörende Megäris nahmen die Dorier ein. Das übrige Griechenland 
war von dieser Zeit an äolisch mit Ausnahme des ionischen Attika. 
Der früher achäische Peloponnes war jetzt dorisch und wie 
früher Mykene, stand jetzt Lakedämon an der Spitze desselben. Der 
dorische Peloponnes bildete fortan eine Art Gegensatz gegen das übrige 
Griechenland, in welchem bald der Attika bewohnende ionische Stamm 
herrschend ward. Nach der Zeit dieser allgemeinen Wanderungen hießen 
die Griechen Hellenen, ein Name, den in der Heroenzeit nur einige kleine 
Völkerschaften Thessaliens geführt hatten. Alle übrigen Völker der Erde 
wurden von den Griechen Barbaren, Fremde, genannt. Da aber die 
Griechen nach und nach alle anderen Völker an Bildung überflügelten, so 
wurde mit dem Worte Barbar mit der Zeit auch der Begriff geistiger 
und moralischer Rohheit verknüpft. 
Der verschiedene Charakter der beiden Hauptvölker, welche sich 
in Griechenland zu den herrschenden gemacht hatten, drückte sich auch 
ihrer Bildung auf: bei den dorischen Völkerschaften war das 
Strenge und Kräftige vorherrschend: bei den Ionern das Be- 
wegliche und Sanfte. Die Äoler näherten sich in ihrem Wesen 
dem der beiden Hauptvölker, je nachdem sie mit bem einen oder dem 
andern mehr in Berührung kamen: in Böotien und Elis nahmen sie die 
Eigenschaften der Dorier an, in Kleinasien die der Joner. 
Die Amphiktvonieen. 
Trotz der Umgestaltung Griechenlands durch die Wanderungen be- 
standen die von Deukalion's Sohn Amphiktyon gestifteten Aittpljtrs 
tyonieen fort. Diese waren Staatenvereine, welche ursprünglich keinen 
politischen, sondern einen religiösen Zweck hatten. Sie dienten nur zur 
gemeinschaftlichen Feier gewisser Religionsfeste und zur Erhaltung und 
Beschützung eines bestimmten Tempels. Gemeinschaftliche Tempelfeste aber 
waren auch für den geschäftlichen Verkehr wichtig, weil der große Zusammen- 
fluss von Menschen auch die Handelswelt herbeizog, und die Feste daher ge- 
wohnlich mit großen Messen verbunden waren. 
Eine berühmte Amphiktyonie war die zu Delos, durch welche 
diese Insel zum Mittelpunkt eines bedeutenden Handelsverkehres wurde. 
Die bedeutendste Amphiktyonie aber war die zu Delphi, auch nur der 
Amphiktyonen-Buud genannt. Derselbe umfasste 12 Völkerschaften. 
Die Versammlungen desselben fanden 2 mal jährlich statt, das eine Mal 
im Frühjahr zu Delphi, das andere Mal im Herbste, in einem Orte nahe 
bei den Thermopylen. Die Beschützung des Apollon-Tempels zu Delphi 
war der Hauptzweck des Bundes. Die Bundesgesandten hatten zu geloben: 
den Apollon-Tempel zu Delphi aus allen Kräften zu beschützen und im 
Kriege nie eine zu bem Bunde gehörige Stadt von Grund aus zu zer- 
stören oder ihr das Wasser abzuschneiden. 
Die Amphiktyonieen sollen nach anderer Sage auch erst spater.entstanden 
sein. Die bei der dorischen Wanderung in Thessalien eingedrungenen Emwanderer 
hätten nämlich mit den unterworfenen Völkerschaften , welche lange um ihre Unab¬ 
hängigkeit kämpften, schließlich eine Ueberemkunft zu yememsamerund 
Religionsfeier geschlossen, der nach und nach auch die südlichen Volker ^ttraten. 
Das Band, welches die verschiedenen, im Besitze einer vollständigen 
Selbstständigkeit lebenden Staaten Griechenlands verknüpfte, war die Gleich- 
artigfett der Denkweise und Sitte, der Sprache und Religion, vor allem 
aber die allen Griechen gemeinsame, glühende Begeisterung für Freiheit und
	        
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