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Deutschland und das Reunkonswesen. 119
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einzelnen Rcichsstand zukommende Antheil an der Reichs¬
regierung hieng durclmus nicht von der wirklichen Macht
ab. So hatte der Bischoff von Chur bei einem ganz
kleinen Territorium ebensogut als das ganze westfäli¬
sche Grafenkotlegium, dessen Besitzungen für 2 Churfür-
stcnthümer ausgereicht hätten, und die winzige Reichs¬
stadt Bvpfingen hatte gar j|g Antheil. Lluch gab es
viele Inhaber reichsunmittelbarer Territorien, welche,
obfchvn mächtig und einflußreich, im Fürstenkollegium kei¬
neswegs vertreten waren; denn nirgends ist ein Plan,
überall nur das tolle Spiel des Zufalls zu erkennen, wie
denn zum Beispiele der Graf von Waldeck, trotzdem,
daß er eine ansehnliche, reichsunmittelbare Grafschaft
besaß, nicht einmal an einer Curiatstimme Theil nahm.
Rechnen wir alle reichsunmittelbaren Fürstenthümer und
Herrschaften zusammen, so ergibt sich die monströse Zahl
1700. In der That, die wunderlichste Einbildungskraft
vermöchte kein so bunt und widersinnig zusammengestvp-
peltes Ding, keine solche Vogelscheuche zu erdenken, als
das römische Reich Jahrhunderte lang gewesen ist! Den
2. Apr. 57 starb Kaiser Ferdinand, nachdem er sich drei¬
mal vermählt hatte, am 20. Febr. 51 mit Philipps Hl.
Tochter Maria Anna, am 2. Juli 48 mit Maria
Leopoldine aus der tiroler Linie, und am 30. April
51 mit Herzog Karls II. von Mantua Tochter E l e 0-
n ora. Der römische König war schon den 19. Juli 54
gestorben. So viele Mühe Frankreich und Schweden sich
gaben, um die Wahl vom Hause Oestreich abzulenken,
so stimmte doch die Mehrzahl der Chursürsten für Kaiser Fer¬
dinands am 9. Juni 40 gebornen, durch den früher ge¬
nannten Neidhard crzognen Sohn Leopold, der seit
55 die ungarische, seit 56 die böhmische Krone trug,
und die deutsche den 1. Aug. 58 empficng: er war ein
wohlmeinender, schläfriger Herr, blies die Flöte recht
hübsch, holte sich guten Rath bei Jesuiten, Geld bei den
Juden. Die ihm vorgelegte, neuausgearbeitete Kapitu¬
lation dehnte die churfürstlichen und landesherrlichen