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Sechzehntes Hauptstück.
Glieder seines Stamms, an einem Halden Wahnsinn,
der ihn bald überreitzte, bald bis zur Dumpfheit ab'
spannte. Hieraus erklärt sich die Abgötterei, welche er
mit Friedrich dem Großen trieb, die Unbesonnenheit, mit
der er alles Französische verabscheute, alles Russische dem
Deutschen nachsetzte, und die sonderbare Hast, womit er
in kurzer Zeit ein Gemische von Verordnungen erlassen
hat. Elisabeths Schwur, kein Blnt zu vergießen, hatte
mehr als 80,000 Menschen nach Sibirien geliefert: Pe¬
ter rief die Unglücklichen zurück, soweit nicht ein ordent-
liches Gericht sie verurtheilt hatte, und erstattete ihnen
ihre Güter, wenn diese nicht schon veräußert waren. Fast
80 Jahre alt und 20 Jahre verbannt, hielt Münnich
in Pelim nach Gewohnheit seinen Hausgottesdienst, als
der Senatscvurier mit der Befrcinngsnkase cintras; Vi¬
rón , Lestocq eilten in die Hauptstadt; der Hof füllte sich
mit Gestalten längst verschollner Namen. Auch an den
vcrgeßnen Iwan dachte Peter, reiste mit Pvlizeiminister
Korff und einigen Andern nach Schlüsselburg, fragte den
lebendig Begrabncn, ob er noch Etwas von seiner Fa¬
milie wisse? Iwan erinnerte sich der Eltern: «man ist
ihnen hart begegnet; nur ein Wachtvffizier hat uns Gu¬
tes gethan." Darauf Peter: „ob er den Mann noch ken¬
nen würde?" „Nein," sagte Iwan, „ich bin damals zu
jung gewesen; den Namen des Offiziers aber werde ich
nie vergessen: Korff heißt er.„ Korff hatte Mühe, um
seine Rührung zu verbergen: der Kaiser drückte ihm die
Hand, und beschloß, für den verwahrlosten Iwan, der
nur mit Mühe zusammenhängend sprach, und nicht mehr
in die Welt paßte, wenigstens ein bequemes Haus bauen
zu lassen. Edelmüthig verzichtete Peter ans die noch be¬
stehenden Monopolien, verminderte den Salzpreis um
20 Kopeken, hob die Folter und die geheime Kanzlei
auf. Die letztere hatte seit geraumer Zeit in Petersburg
gewüthet, wohin man die Angeklagten oft sammt der
ganzen Gesellschaft, in der sie sich zufällig befanden, aus
weitester Entfernung schleppte; Jahrelang konnten sie im