52
entgegen, und lieferte ihnen das Treffen bei Macziewice (etwa 12 Mei¬
len oberhalb Warschau, am rechten Weichselufer) 1794. Zwei Mal durch¬
brachen die Polen mit dem Bajonett die russischen Reihen, zuletzt aber
wurden sie zurückgedrängt, und in eine rettungslose Flucht geworfen. Kos-
ciusko jagte den Fliehenden nach, um sie wieder zu sammeln. Da stürzte
sein Pferd, als er im vollen Rennen über einen Graben setzte. Er raffte
sich auf, aber Kosacken batten ihn eingeholt, hieben auf ihn ein, und mit dem
Schmerzensruf: „Finis Poloniae!“ sank der Held zu Boden. Als sie
hörten, daß Koseiusko ihr Gefangener sei, trugen sie ihn auf ihren Piken
- nach dem nächsten Schlosse, und der russische General sorgte für seine
Wiederherstellung.
Mit Kosciusko's Fall war den Polen der Muth gewichen. Suwarow
zog gegen Praga, die Vorstadt Warschaus auf dem rechten Weichseluser,
heran, und führte am 4. November seine Russen zum Sturme. Dies war
einer der Tage, von denen sich die Menschheit schaudernd abwendet, und
deren es zum Glücke der Welt nur wenige in der Geschichte giebt. Binnen
einer Stunde war der Wall erstiegen; nun wurden 8000 bewaffnete Polen,
und nach ihnen 12,000 Einwohner ohne Unterschied des Alters und Ge¬
schlechts von den rohen Siegern ermordet, ertränkt oder mit ihren Wohnungen
jämmerlich verbrannt. Meilenweit hörte man das Klaggeschrei; den Warschauern
starrte vor Entsetzen das Blut in den Adern, als sie das Schicksal ihrer Brüder
und Verwandten bedachten, und die lodernden Flammen den Himmel rötheten.
Ignaz Potocki lspr. Pototzki) eilte in das russische Lager, und bat für
Warschau um Schonung. Suwarow verweigerte jede Unterhandlung mit
Rebellen. „Gut!" antwortete Potocki, „so strafen Sie mich, und schonen Sie
des Volks; denn dieses ist unschuldig, und nur von uns verleitet worden!"
Erst am andern Tage gab Suwarow den vereinigten Bitten des Königs
und anderer Großen nach. Warschau erhielt Verzeihung, mußte aber alle
Waffen ausliefern, und wurde von den Russen besetzt.
Die einzelnen Hansen der Polen verliefen sich nun; andere wurden
gefangen; viele der Vornehmen verließen abermals das unglückliche Vaterland,
und wandten sich nach Italien oder Frankreich. Koseiusko wurde nach Ru߬
land abgeführt, und nachdem er geschworen hatte, ohne russische Erlaubniß
das Vaterland nicht wieder zu betreten, begab er sich nach Frankreich, wo
er aus seinem Landgute nur sich und den Seinigen bis an seinen Tod, 1817,
gelebt hat. Die Sieger kamen überein, daß Polen aus der Reihe der Reiche
ausgestrichen werden müßte, und theilten den Rest unter sich 1795. Ru߬
land nahm den östlichen Theil, Oestreich den südlichen und Preußen das
Uebrige nebst Warschau. Der preußische Antheil wurde Südpreußen genannt.
Ueb'cr das Benehmen der Verbündeten und über die Unrechtmäßigkeit der
Handlung war nur eine Stimme, und konnte wohl der Zuwachs an Land
und Einkünften entschädigen für den Verlust an Achtung und Vertrauen? —
König Stanislaus Poniatowski legte die Krone nieder, und erntete nun
den Lohn seiner Schwäche. Er wurde unter russischer Aufsicht nach Grodno
verwiesen, wo er ein Jahrgehalt erhielt. Nach Katharinens Tode wurde er
nach Petersburg berufen, und hier starb er bald darauf (1798).