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legte!" Denn nun fielen die reichen Abgaben weg, welche er
bisher jährlich von ihnen erhoben hatte.
Bald wurde der König auch der Anna Bolepn wieder
überdrüssig, und seine Neigung ging nach der Johanna
Seymour, einer Hofdame der Anna. Um sich mit dieser
Verbinden zu können, ließ er seine Gemahlin wegen Untreue,
wie er vergab, hinrichten. Gleich den Tag nach der Hinrich-
tung vollzog der blutgierige Wollüstling die Ehe mit der Jo¬
hanna Seymour. Diese starb schon im folgenden Jahre, und
Heinrich dachte gleich wieder an eine neue Heirath. Man
rühmte ihm eine protestantische Prinzessin, Anna, die Tochter
des Herzoges von Cleve, und als er ihr Portrait sah, welches
der berühmte Hans Holbein*) verfertigt hatte, so ließ er
sogleich um ihre Hand antragcn. Aber schon kurz nach der
Vermählung verstieß er fie wieder, weil er sie häßlich fand,
und ließ seinen Liebling Thomas Cromwett, der zu dieser Ver-
bindung gerathen hatte, hinrichten. Einige Wochen nach dieser
Scheidung heirathete er eine junge schöne Engländerin, Ka¬
tharina Howard; aber nach kaum zweijähriger Ehe ließ er
fie im Schloßhofe enthaupten, weil fie ein untreues, lasterhaftes
Weib war. Man hätte denken sollen, nun endlich würde dem
Könige das Heirathen wohl verleidet worden sein. Nichts desto
weniger nahm er einige Jahre nachher die sechste Gemahlin,
Katharina P arr. Diese endlich wußte sich zu behaupten,
obgleich nicht viel fehlte, daß auch sie das Schicksal ihrer un¬
glücklichen Vorgängerinnen hätte theilen müssen, weil sie einmal
bei einem Glaubensgespräche anderer Meinung war, als er.
Nur durch eine kluge Wendung des Gespräches entging fie der
Gefahr, als Ketzerin verurtheilt zu werden. Mit zunehmenden
*) Dieser berühmte Maler und Formschneidcr, von dem wir noch
viele herrliche Gemälde übrig haben, war aus Augsburg und lebte mch.
rere Jahre an dem Hofe Heinrichs, der ihn so sehr schätzte, daß er eins
sagte: „er könne wohl aus sieben Bauern sieben Lords machen, aber au-
sieben Lords keinen Holbein."