Dritter Zeitraum.
Von der französischen Revolution bis zum Congreß in Wien
(1789—1815).
65. Ursachen der Revolution.
Ä^ächst der Reformation gibt es keine wichtigere und erfolg-
reichere Begebenheit in der Geschichte der Menschheit, als die
französische Revolution, die eine ähnliche Umwälzung
im Siaate, wie jene in der Kirche war. Von Frankreich aus¬
gehend theilte sie sich nach und nach fast allen gebildeten Völ¬
kern der Erde in dem Maße mit, als dieselben Gährungsstoffe
mehr oder weniger bei ihnen vorhanden waren.
Zu Anfänge dieser in der Geschichte ewig denkwürdigen
Epoche hatten die meisten europäischen Staaten, insbesondere
aber Frankreich, eine mehr künstliche, als natürliche Festigkeit.
Viele Mißbräuche aus den Zeiten des Mittelalters waren ste¬
hen geblieben, die bei den veränderten Verhältnissen und bei
der gesteigerten Aufklärung der neueren Zeit am Ende noth-
wendig Zusammenstürzen mußten. Der Adel besaß noch immer
seine großen Vorrechte, ohne die Verpflichtungen ferner zu er¬
füllen, unter denen er sie früher erlangt hatte. Die einträg¬
lichsten Aemter des Staates, die reichsten Pfründen waren in
seinem ausschließlichen Besitze; nicht Verdienst, sondern Geburt
gab Ansprüche zu denselben. Viele Stellen waren sogar käuf¬
lich; — als ob man mit dem Amte auch die Fähigkeit zu
demselben kaufen könnte! Am meisten aber kränkte, daß gerade
die reichen adeligen Gutsbesitzer von allen Abgaben frei wa¬
ren, die der Bürger- und Bauerstand allein aufbringen mußte.
Ja, cs schien fast, als seien diese zu keinem anderen Zwecke