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und seiner Staatswürde, zugleich aber auch die volle Anerkennung 
fremden Werthes und tief gegründete Herzensgute. 
Sein Körper war seinem Geiste ein williger Diener. Fleißig, 
wie vielleicht nicht der Geringste seiner Beamteten, stand er im Som¬ 
mer um 6 Uhr, im Winter etwas spater auf, und begann sogleich 
mit seinen Kabinetssecretairen zu arbeiten. Um 9 Uhr wurde gefrüh- 
stückt. Hierauf begab er sich in sein Zimmer und fuhr zu arbeiten 
fort. Von Stunde zu Stunde ging er auf die Gallerie, wo er 
Leute anhörte, die mit ihm sprechen wollten, schriftliche Gesuche ab¬ 
nahm und längere Audienzen ertheilte. Die Eingaben ließ er sich 
wörtlich vorlesen und der Behörde, vor die sie gehörten, zufertigen. 
Nach 8 Tagen konnte eine Entscheidung gegeben werden. 
Gegen Mittag ging, ritt oder fuhr er, von einem einzigen Be¬ 
dienten begleitet, spatzieren. Die Zeit seines einfachen Mittagsmahls 
richtete sich nach seinen Geschäften. Eine Köchin besorgte, meistens 
nach ihrer Wahl, seinen Tisch und auch von dem Aufgetragenen 
genoß er nur die gewöhnlichsten Gerichte. Wein trank er'nie, außer 
wahrend seiner letzten Krankheit. 
Große Menschen sind immer mäßig gewesen, teutsche Knaben! 
und die Mäßigkeit ist die Mutter aller Tugenden! — 
In Wien aß er meistens allein; auf Reisen, wo übrigens die 
Lebensweise und der Geschäftsgang fast dieselben blieben, mit sei¬ 
nen Secretairen. Nach Tische war eine Stunde der Musik gewid¬ 
met, woran er zuweilen selbst Theil nahm. Sodann wurde wieder 
gearbeitet oder Audienz ertheilt. Um 7 Uhr ging er in's Theater, 
wo er jedoch selten das Ende des Stücks abwartete, oder in Gesell¬ 
schaft. Die Letztere bestand gewöhnlich aus Personen, die sich öfte¬ 
rer um die geheiligte Person des geliebten und verehrten Monarchen 
versammelten. Hier war jedes Ceremoniel verbannt und Joseph er-
	        
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