Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

39. Verfall des ostfrävkischen Reiches unter den beiden letzten Karolingern. 161 
daß es nicht mehr, wie zur Zeit Karl's des Großen, als die allein be¬ 
fehlende und über die Gesetzgebung bestimmende Gewalt erscheint, son¬ 
dern als eine Gewalt, welche mit andern Gewalten unterhandelt und 
welche mit diesen die Gesetzgebung auf eine solche Art thcilt, daß sie 
nicht mehr die Gesetze vorschreibt, sondern fast nur rälh, bittet und er¬ 
mahnt. Indem schon in den ersten Jahren der Regierung Karl's des 
Kahlen die Mächtigen des Landes einen großen Theil der königlichen 
Güter als Lehen oder Allodien durch Betrug oder Gewalt sich zueigne¬ 
ten, und auch in der folgenden Zeit Viele derselben auf ähnliche Weise 
oder durch nothgedrungene Gewährung der Könige erlangten, so wurde 
dadurch das Königthum meistens seiner äußern Mittel beraubt, und zu¬ 
gleich sank seine innere Geltung und Bedeutung durch die Untüchtigkeit 
und Schwäche seiner Besitzer, namentlich Karl's des Kahlen. Er be¬ 
willigte schon 844 den Großen seines Reiches förmlich das Recht, ihn 
zu ermahnen und zu warnen, wenn ihm, als Menschen, etwas abgelockt 
worden sei, und er gestand denselben sogar das Recht zu, sich ihm ver¬ 
einigt und mit gewasfneter Hand zu widersetzen. Ueberdies wurde iu 
dieser Zeit die Erblichkeit der Grafschaften und anderer Lehen allge¬ 
meine Sitte, weil es den Königen an der Macht fehlte, dem Sohne zu 
entziehen, was dem Vater verliehen gewesen war; immer zahlreichere 
Burgen und Schlösser, von welchen aus die Umwohner beraubt und 
gemißhandelt wurden, erhoben sich in allen Theilen des Reiches, und 
sogar das Wahlrecht des Volkes, d. h. der geistlichen und weltlichen 
Großen, wurde, obwohl die Karolingische Familie ihre Reiche als Erb¬ 
reiche betrachtete, von Karl's Sohne, Ludwig II., anerkannt und bei 
der Krönung mußte der König feierlich die unverletzliche Bewahrung der 
bestehenden Rechte und Gesetze geloben. 
39. Verfall des ojtfriin Irischen Reiches unter den beiden 
letzten Karolingern. 
(Nach Wilh. Giefebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit.) 
1. Arnulf, 887—899. 
Durch Wahl wurde Arnulf zum Könige der Ostfranken erhoben. 
Das Karolingische Erbkönigthum war nun auch in den deutschen Län¬ 
dern beseitigt; die geistliche und weltliche Aristokratie im Bunde hatten 
es in allen fränkischen Reichen gestürzt, als es sich völlig unfähig er¬ 
wies, die Macht länger zu behaupten. 
Arnulf meinte, auf das ganze Reich Karl's des Großen Anspruch 
erheben zu können, aber keineswegs fand er überall die Anerkennung, 
die er gehofft hatte. Im Westfrankeureich erhob man auf den Thron 
den Grafen Odo, dessen Vater als ein niederer Kriegsmann über den 
Rhein gekommen war und durch glänzende Kriegsthaten sein Haus schnell 
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken. II. 11
	        
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