Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

324 Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273. 
Allgemein war der Glaube verbreitet, er thue Wunder, und er selbst 
war überzeugt, daß Gottes Gnade Großes durch ihn wirke. 
Als die Briefe, in welchen der König und die Barone von Jeru¬ 
salem die Bedrängnisse der Christen im Morgenlande schilderten, nach 
Europa kamen, erhielt Bernhard vom Papste den Auftrag, die Christen 
des Abendlandes zu ermahnen, daß sie zur Buße und zur Vergebung 
ihrer Sünden nach dem Orient zögen, um ihren bedrängten Brüdern 
zu helfen oder für sie zu sterben. Viele, deren Gewissen von schwerer 
Sündenschnld belastet war, hatten ohnehin schon diese Absicht, nament¬ 
lich König Ludwig VII. von Frankreich. Derselbe hatte im Kriege 
gegen den Grafen von Champagne und Blois die Stadt Vitry erobert, 
und bei dieser Gelegenheit war von seinen rohen Kriegern eine Kirche 
mit 300 Unglücklichen, die daselbst Zuflucht gesucht hatten, verbrannt 
worden. Er wandte sich an Bernhard, und dieser begab sich, als er 
vom Papste den Auftrag erhalten hatte, das Kreuz zu predigen, freudig 
nach Frankreich. Zu Vezelay wurde im März 1146 eine große Ver¬ 
sammlung gehalten, ans welcher Ludwig nebst seiner Gemahlin, seinem 
Bruder und vielen Bischöfen, Rittern und Edlen das Kreuz nahm. 
Von Bcrnhard's begeisterter Rede ergriffen, forderten Alle das Kreuz; 
er mußte die mitgebrachten Kreuze viel mehr ansstreuen, als vertheilen, 
und da sie nicht ansreichten, mußte er sogar noch sein eigenes Gewand 
zu Kreuzen zerschneiden. 
Nun wandte er sich auch nach Deutschland. In dringenden Briefen 
forderte er die Deutschen auf, nicht hinter ihren Brüdern znrückzublei- 
ben; er ermahnte sie, ihren Kriegen unter einander ein Ende zu machen 
und in den heiligen Krieg zu ziehen, wo Siegen Ruhm, Sterben Ge¬ 
winn sei. Seine Körperschwüche vergessend, reiste er hier, wie in 
Frankreich, überall umher, und weit mehr noch, als sein Schreiben, 
wirkte seine Rede. Eine eigenthümliche Anmuth lag in dem Tone sei¬ 
ner Stimme, eine unwiderstehliche Gewalt in dem Feuer der Begeiste¬ 
rung, das sich in seinen Worten, in den Zügen seines ehrwürdigen 
Antlitzes, in seiner ganzen äußeren Erscheinung aussprach. Selbst solche, 
die seine Worte nicht verstanden, wurden so mächtig ergriffen, daß. 
Thränen ihren Augen entströmten und daß sie in reuiger Zerknirschung 
an ihre Brust schlugen, und von allen Seiten brachte man Kranke her¬ 
bei, in der festen Zuversicht, daß sie durch den heiligen Mann Gene¬ 
sung erlangen müßten. Solche glänzende Erfolge ließen ihn aber nie 
die nöthige Besonnenheit vergessen. So warnte er die Deutschen, sie 
sollten nicht, einzelnen Schwärmern folgend, die des Krieges unkundig 
wären, zu früh aufbrechen, und er hielt ihnen das Beispiel Peter's von 
Amiens vor. 
Zu Frankfurt suchte Bernhard auch den deutschen König Konrad III. 
für den Kreuzzug zu gewinnen; doch dieser, der schon früher in Palä¬ 
stina gewesen war, erklärte, er habe durchaus keine Neigung dazu, und 
Bernhard war klug genug, zu erwiedern, es zieme ihm nicht, ungestüm 
in den König zu dringen. Dagegen benutzte er eine große Feierlichkeit
	        
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