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30. Portugals Größe und Verfall.
wollten, wofür ihnen die spanischen Häfen wieder geöffnet werden sollten.
Dagegen aber protestirte die ostindische Gesellschaft und hob das
Schmachvolle hervor, einen mit so vielen Opfern erkauften und so ein¬
träglichen Handel (schon 1606: 75% Dividende) so leicht aufzugeben
und das Recht der Nation auf die freie Sec zu verkennen. Daher konnte
man sich über einen definitiven Frieden nicht einigen und es kam, unter
Vermittlung Englands und Frankreichs, nur ein Waffenstillstand
auf 12 Jahre (9. April 1609) zu Stande, worin die vereinigten Pro¬
vinzen als freie Staaten anerkannt, der freie Handel aber nicht ohne
Weiteres bewilligt wurde.
So endigte, wenigstens für eine Zeit lang, ein Krieg, der vierzig
Jahre fast ununterbrochen gewährt, der unendlich viel zerstört, aber
auch ein neues Vaterland für religiöse und bürgerliche Freiheit, für
Wohlfahrt und Volksglück geschaffen und dem Welthandel eine neue
Richtung gegeben hatte.
30. Portugals Größe und Verfall.
Mach H. Schäfer, Geschichte Portugals und Friedr. von Raumer, Geschichte
Europa's, bearbeitet vom Herausgeber.)
Immer kräftiger und lebcnsfrischer erhob sich Portugal seit dem
15. Jahrhundert, der erwachte Unternehmungsgeist der Portugiesen
richtete seine Blicke weithin und vollführte seine Thaten auf neuen
Meeren, in anderen Welttheilen. Unter dem scharfblickenden, einsichts¬
vollen und thatkräftigen Johann II., der dem Ruhmeseifer der Portu¬
giesen die rechte Bahn und Richtung wies, erblühte Lissabon, die
Hauptstadt des Reiches, durch Gcwerbsamkeit, Handel und Schifffahrt
zu größerem Wohlstand und Einfluß, zeigte der Hof ein bewegtes, reiches
Leben, eine seltene geistige Regsamkeit. Der König sah gern, wenn er
von den Mühen der Regierung ausruhte, einen Kreis geistreicher und
aufgeweckter Männer um sich; Ritterspiele und Rohrspiele (jogos de
canas) wechselten mit geistigen Unterhaltungen, in denen Musik und
Dichtkunst ihre Zauber entfalteten, ihre Siege feierten.
Es folgten die Zeiten Emanuel's des Großen (1495 — 1521),
das Vicrteljahrhnndert der höchsten Macht und Blüte Portugals.
Nach außen waren die Bahnen geöffnet und gesichert, auf denen Vasco
da Gama Portugals Macht und Herrlichkeit in Indien vorbereitete.
Dieses Reich stieg rasch auf den Gipfel seiner Größe, seines Ruhmes und
Neichthums. Aber es währte nicht lange, so zeigten sich, inmitten dieser
glücklichen Zustände, Anzeichen der Veränderung; denn der große Reich-
thum und Ueberfluß, den man, weise wirthschaftend, ans die wahren
Bedürfnisse Hütte verwenden sollen, wurde in feinen Lebensgenüssen und
für Gelüste verbraucht, die, unersättlich wie sie sind, zu übermäßigem