Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

Zweiter Zeitraum: Von dem westfälischen Frieden bis zur 
französischen Revolution, 1648—1789. 
U. Die zweite Hälfte des I<>. Jahrhunderts. 
47. Ludrvig's XIV. Minderjährigkeit. Mazarin. 
(Nach E. A. Schmidt, Geschichte Frankreichs und Leop. Nankc, französische Ge¬ 
schichte, bearbeitet vom Herausgeber.) 
Ludwig XIV. hatte noch nicht ein Alter von fünf Jahren erreicht, 
als er durch den Tod seines Vaters König von Frankreich wurde. So 
wenig seine Mutter, die Königin Anna, wegen geringer Fähigkeit 
und Einsicht und wegen Abneigung gegen angestrengte Thätigkeit, im 
Stande war, die Regierung eines Staates zu leiten, so sehr war doch 
ihr Stolz durch die Verordnung ihres Gemahls gekränkt, welche ihr 
nur den Namen, aber nicht die Gewalt einer Regentin übertrug, und 
sie hatte schon vor seinem Tode den Entschluß gefaßt, diese Bestimmung 
umzustoßen. Die Erinnerung an die Regentschaften der Königinnen 
Katharina und Maria von Medici und die nnbedeutendc, verächtliche 
Persönlichkeit des Herzogs von Orleans, des einzigen Prinzen, welcher, 
und zwar als Oheiin des jungen Königs, begründete Ansprüche auf 
die Regierung erheben konnte, erleichterten ihr die Ausführung ihrer 
Absicht. Ihre vertrautesten Rathgeber stellten ihr vor, daß ihre Regent¬ 
schaft eine größere Festigkeit erhalten werde, wenn das Edict ihres 
Gemahls von ihrem Sohne in einer königlichen Sitzung im Parlament 
aufgehoben und auch von diesem ihr die Regierung zuerkannt werde. 
Am 18. Mai fand die königliche Sitzung Statt. Der junge König 
sprach die Worte: er sei gekommen, um dem Parlamente seine Gewogen¬ 
heit zu bezeugen; der Kanzler werde das Uebrige sagen. Der Gene- 
ral-Advocat Talon trug nunmehr im Namen des Königs darauf an, 
daß die Königin, gemäß dem Willen des verstorbenen Königs, zur 
Regentin des Reiches erklärt werde, daß der Herzog von Orleans, ihr 
untergeordnet, General-Lieutenant in allen Provinzen und Chef des 
Conseils sei und in seiner Abwesenheit der Prinz von Conds diese 
Stelle einnehme, und daß es der Königin überlassen bleibe, die Mit¬ 
glieder der Conseils zu wählen, ohne daß sie jedoch verpflichtet werde,
	        
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