Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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67. Dcr nordische Krieg. 
König bewegen, daß er seinen Marsch gegen das schwach befestigte 
Pultawa anfgäbe. Er fuhr fort, die Seinen auf dem Marsche Preis 
zu geben, bis im Februar (1709) Thanwetter einfiel. Im April und 
Mai mühten sich die Schweden in Laufgräben vor einer elenden Schanze 
vergeblich ab, während die Russen sie wie ein Netz einschlossen. 
Das Treffen bei Pultawa (8. Juli) ordnete Rhenschöld, weil Karl 
eine gefährliche Wunde am Fuß erhalten hatte und kein Pferd besteigen 
konnte; die Schweden thaten auch an diesem Tage Wunder der Tapfer¬ 
keit, aber ihre Niederlage wird man sich leicht erklären, wenn man 
weiß, daß sie an Allem, sogar an Pulver und Blei Mangel litten und 
daß Lewenhaupt und Renschöld so uneinig waren, daß der Erstere in 
in seinem Berichte von der Schlacht dem Letzteren, der den Oberbefehl 
hatte, die bittersten Vorwürfe macht. Von der ganzen schwedischen 
Armee zogen sich nur 14-—15,000 Mann unter Lewenhaupt und Kreuz 
in ein schwach befestigtes Lager am Dnicpr, wo sie von den Russen und 
vom Flusse eingeschlossen wurden. Dies kleine Heer hätte sich vielleicht 
nach Polen durchschlagen können, und diesen Entschluß hatte auch Karl 
Anfangs gefaßt, er ward jedoch endlich mit vieler Mühe bewogen, über 
den Dniepr zu gehen, und mit geringer Begleitung Zuflucht in der 
Türkei zu suchen. Sobald sich der König gerettet hatte (10. Juli 
1709), schloß Lewenhaupt, verdrießlich über die Opfer, die von den 
Schweden dem Eigensinne des Königs gebracht waren, eine Capitulation, 
vermöge deren das Gepäck, das Geschütz und der ganze Rest der schwe¬ 
dischen Armee den Russen übergeben ward. 
4. Karl's XII. Aufenthalt in der Türkei 1709—1714. 
Die Flucht Karl's nach Bender und sein fünfjähriger Aufenthalt 
in der Türkei war das günstigste Ereigniß für Peter's große Plane 
der Umschaffung seines barbarischen Reiches und Volkes in ein civili- 
sirtes. Er ward Herr in Polen; er erhielt an den Schweden, den 
deutschen und französischen Abenteurern in Karl's Heer die besten Lehr¬ 
meister seines Volkes, erfahrene Officiere, Artilleristen, Baumeister, In¬ 
genieure. Die Schweden wurden durch ganz Rußland bis tief nach 
Sibirien hin vertheilt; sie legten, um leben zu können, Schulen und 
Anstalten an, sie gebrauchten ihre Wissenschaft und Erfahrungen, auch 
wider ihren Willen, zu Peter's Zwecken. Viele kehrten nie in ihr 
Vaterland zurück, weil sie Anstalten geschaffen und Unternehmungen 
begründet hatten, die für sie eben so vortheilhast waren, als für das 
russische Reich. 
Karl, von den Russen lebhaft verfolgt, erreichte mit etwa 2000 
Begleitern das Ufer des Bog, ward in Bender freundlich ausgenommen 
und baute sich hier ein Haus, das später zu einer Art Festung von 
ihm gemacht ward und verschmähte die Bedeckung, die ihm schon im 
October (1709) zur Rückkehr in seine Staaten versprochen ward, weil 
er auf den Ausgang der Cabalen des Großvcziers und seines eigenen 
Abgeordneten, Poniatowsky, den er nach Constantinopel geschickt hatte,
	        
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