Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

116. Der Wiener Congreß. 
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Glas erhob und in die tiefe Betrachtung ausbrach: „Ist es nicht jammer¬ 
schade, daß man gegen ein Volk muß Krieg führen, das einen so herr¬ 
lichen Trank braut, man sollte denken, das müßten die allerbesten 
Menschen sein, aber o Gott, o Gott!" 
Wahrhaft groß erscheint Blücher in seiner neidlosen, freudigen An¬ 
erkennung des Verdienstes Anderer, sowohl solches, das er selbst nicht 
theilen konnte, als auch dessen, welches in der Bahn des seinigen lag. 
Jede würdige Erscheinung, jede tüchtige Kraft hielt er in Ehren, den 
Staatsmann und den Schriftsteller, den Kaufmann und den Künstler. 
Willig erkannte er jede Eigenschaft seiner Mitseldherren an. Einzig in 
ihrer Art waren die Verhältnisse erst zu Scharnhorst und dann zu 
Gneisenau, besonders aber zu dem letzteren. Mit aufrichtiger Selbst- 
erkenntniß unterwarf er sich der höheren Einsicht dieser Männer, welche 
weniger seine Untergebenen, als seine Freunde und Vertraute waren. 
Scharnhorst wurde früh von seiner Seite gerissen; Gneisenau aber 
blieb der unzertrennliche Gefährte der ganzen Siegeslaufbahn, und 
welcher Antheil demselben an deren Erfolgen gebühre, hat Blücher in 
dem höchsten Taumel der Huldigungen, auf dem Gipfel des Ruhmes 
und der Ehren, stets eifrig und laut verkündigt. In einer großen Ver¬ 
sammlung, als bei Tisch viele Trinksprüche schon ausgebracht waren, 
verhieß Blücher, Alle überbictend, er wolle thun, was ihm kein Anderer 
nachmachen könne, er wolle seinen eigenen Kops küssen; das Räthsel 
blieb nicht lange ungelöst, er stand auf, ging zu Gneisenau hin und 
küßte ihn mit herzlicher Umarmung. Noch bei vielen Gelegenheiten 
gab er wiederholt das offene Bekenntniß, er selbst sei im Felde nur 
der ausführende Arm, aber Gneisenau das Haupt gewesen. Ihre beider¬ 
seitige Freundschaft blieb ungetrübt bis an's Ende, und kein Augenblick 
von Eifersucht rief jemals eine Theilung und Sonderung dessen herbei, 
was durch das Leben selbst vereint worden, und nur also vereint in 
seinem vollen Werthe besteht. 
116. Der (Kongreß in Wien. 
(Nach G. G. Gervinus, Geschtchte des 19. Jahrhunderts, bearbeitet vom 
Herausgeber.) 
Im pariser Frieden waren die Mächte übereingekommen, nach zwei 
Monaten Bevollmächtigte zu einem allgemeinen Eongresse in Wien zu 
versammeln, um die Bestimmungen des Friedensschlusses zu vervoll¬ 
ständigen und in endgültiger Form bekannt zu machen. Dieser Zeit¬ 
punkt, der auf den Anfang des August wies, ward nachher, aus Rück¬ 
sicht auf die Sitzung des englischen Parlaments und die unverschiebbare 
Heimreise des Kaisers von Rußland, bis zum 1. October und dann 
bis zum 1. November verlängert.
	        
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