76 Vierte Periode.
stiegen, fe mehr dieses Volk Anfangs unter den langen
Kämpfen zwischen den beiden Reichen, Aegypten und Sy¬
rien, zwischen welchen es in der Mitte lag, und in der
Folge unter den verwüstenden Bürgerkriegen, die im gan¬
zen Umfange des römischen Reiches wütheten, gelitten
hatte. Zwar war das Reich, das Jesus auf Erden stif¬
tete, nicht, wie cs der sinnliche Lheil der Juden wünsch-
te und erwartete, von dieser Welt; aber es war ein
Reich Gottes, ein Reich der Wahrheit und der
Lugend.
Denn soll der Menschheit geholfen werden; so kann
ihre Hülfe und Errettung nicht von außen kommen;
sie muß vielmehr vom Innern des Menschen, von
seiner geistigen Bildung und seiner moralischen
Besserung ausgehen. Nur wann der menschliche Ver¬
stand durch erhabene Wahrheiten belehrt und erleuchtet,
und das Herz für das Sittlich-Gute erwärmt und zu
reinsittlichen Handlungen belebt wird, — nur dann kann
es besser mit den einzelnen Menschen und mit den Völ¬
kern und Reichen deö Erdbodens werden. Nur diese
höhere Richtung des menschlichen Geistes auf heilige und
ewige Wahrheiten, diese Erhebung zu einer tugendhaften
Gesinnung und Handlungsweise war es, wodurch Jesus
der gesunkenen Menschheit aufhalf, wodurch er der Wohl-
thäter unsers Geschlechts für alle kommende Jahrtau¬
sende wurde, und wodurch er ein Reich Gottes auf
Erden begründete, das, bei allen Veränderungen der
irdischen Reiche und Staaten, unerschüttert bleibt und
seine Mitglieder hiuüberführt zu dem höhern Reiche Got¬
tes in bessere Welten.
Noch nie hatte ein Weiser des Alterthums mit sol¬
cher Klarheit, mit solcher Bestimmtheit und mit solcher
Einfachheit sich über das Verhältniß Gottes zu den Men¬
schen, über die Bestimmung zur Tugend und über das
künftige bessere Leben jenseits des Grabes erklärt, wie
Jesus. Noch nie hatte ein Lehrer sich so ausschließend
mit seinen Belehrungen an das Volk gerichtet, wie er.
Gewöhnlich hatten die Lehrer der Weisheit, welche vor
ihm erschienen waren, nur einem kleinen Kreise von Aus-
erwahlten ihre richtigern Einsichten mitgetheilt; Jesus
aber machte sie zu einem Gemeingute aller Stande und
Volksklassen, und ward dadurch der Lehrer der ganzen
Menschheit. Auch hatte noch nie ein Lehrer der Wahr-