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4. Noch größere Schwierigkeiten fand der unermüdliche Mann in Thü⸗
ringen, denn hier widerstrebten auch viele irrgläubige und sittenlose Priester seinen
Anoͤrdnungen, so daß er viele ihres Amtes entsetzen und neue an ihre Stelle
berufen mußte. Dennoch ließ er nicht nach in seinem Eifer; überall gründete
er Kirchen und Klöster, und wie er selber mit dem feurigsten Glauben die werk—
thätigsie Liebe verband, so wurden auch die unter seinem Einfluß gestifteten
Klöster bald Zufluchtsörter für die Bedrängten, Herbergen für die Wanderer,
Spitäler für die Kranken und Pflanzstätten für Kunst und Wissenschaft.
Nach diesen Erfolgen erteilte ihm der Papst die Würde eines Erzbischofs
und lud ihn ein, wieder nach Rom zu kommen. Während dieses Besuches
kamen seine Pläne für die Gestaltung der deutschen Kirche zur Reife; als er
zurückkehrte, war er fest entschlossen, die Kirchenverfassung des ganzen Landes
gleichmäßig zu ordnen und den Papst zum Schiedsrichter derselben zu machen.
Er berief im Jahre 742 die erste deutsche Kirchenversammlung, welche strenge
Gesetze gegen den anstößigen Lebenswandel vieler Geistlichen erließ und feierlich
den ömischen Bischof oder Papst für das Oberhaupt der deutschen Kirche erklärte.
Im Einverständnis mit Pipin stellte er dann auch im westlichen Teil des Fran—
kenreichs, dem heutigen Frankreich, dieselbe Kirchenverfassung her und ließ die
Oberhoheit des Papstes von allen Bischöfen anerkennen.
. Nachdem Bonifacius 30 Jahre lang für die Ausbreitung des Chri⸗
stentums in Beutschland gewirkt hatte, ward er zum Erzbischof von Mainz
gewählt. In dieser mächtigen Stellung salbte er Pipin den Kleinen, den starken
Reichsverweser des Frankenreichs, zum König; aber die Vollmacht dazu ließ
er sich vom Papste geben, so daß auch dies Ereignis wesentlich dazu beitrug,
die strenge kirchliche Ordnung und die Oberhoheit des Papstes zu befestigen.
Aber obgleich er so der erste Kirchenfürst Deutschlands war, vergaß er
doch nicht seiner eigentlichen Lebensaufgabe, der mündlichen Verkündigung des
Evangeliums und der Heidenbekehrung. In seinem siebzigsten Jahre legte er
seine erzbischöfliche Würde nieder und ging noch einmal als Glaubensbote oder
Missionar zu den westlichen Friesen. Keine Gefahr oder Beschwerde achtend,
zog er von Ort zu Ort und predigte mit solcher Begeisterung, daß täglich Hun⸗
derte sich taufen ließen. Aber in der Gegend des heutigen Groeningen drang
eine Schar heidnischer Friesen, voll Erbitterung über die Zerstörung ihrer Götzen⸗
bilder auf ihn ein; seine Begleiter griffen zu den Waffen, aber er verbot ihnen
jeden Widerstand, indem er auf die fromme Ergebung des Heilandes verwies; und
so erlit er mit 52 Genossen den Märtyrertod im Jahre 755. Sein Schwert und
Schild war der Glaube an Jesus Christus; aber mit dieser Wehr und Waffe hat
er Dinge vollbracht, die vorher unmöglich erschienen waren. (Dielitz.)
In angelsächsischer Sprache lautet sein Name Nynfreth, von Wyn d.h. Glück,
lateinisa bonum fatum; daraus erklärt sich auch sein Beiname. der urkundlich nur
Bonifatius geschrieben wird.
198. Karl der Großee.
4. ipin der Kleine, der im Einverständnis mit dem Papste dem letzten
Sprößling des verkommenen Herrschergeschlechts der Franken die Locken
geschoren und ihn in ein Kloster gesandt, dann aber selbst den Thron des mäch—
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