Full text: Norddeutsches Lesebuch

198. Karl der Große. 
4. Noch größere Schwierigkeiten fand der unermüdliche Mann in Thü⸗ 
ringen, denn hier widerstrebten auch viele irrgläubige und sittenlose Priester seinen 
Anoͤrdnungen, so daß er viele ihres Amtes entsetzen und neue an ihre Stelle 
berufen mußte. Dennoch ließ er nicht nach in seinem Eifer; überall gründete 
er Kirchen und Klöster, und wie er selber mit dem feurigsten Glauben die werk— 
thätigsie Liebe verband, so wurden auch die unter seinem Einfluß gestifteten 
Klöster bald Zufluchtsörter für die Bedrängten, Herbergen für die Wanderer, 
Spitäler für die Kranken und Pflanzstätten für Kunst und Wissenschaft. 
Nach diesen Erfolgen erteilte ihm der Papst die Würde eines Erzbischofs 
und lud ihn ein, wieder nach Rom zu kommen. Während dieses Besuches 
kamen seine Pläne für die Gestaltung der deutschen Kirche zur Reife; als er 
zurückkehrte, war er fest entschlossen, die Kirchenverfassung des ganzen Landes 
gleichmäßig zu ordnen und den Papst zum Schiedsrichter derselben zu machen. 
Er berief im Jahre 742 die erste deutsche Kirchenversammlung, welche strenge 
Gesetze gegen den anstößigen Lebenswandel vieler Geistlichen erließ und feierlich 
den ömischen Bischof oder Papst für das Oberhaupt der deutschen Kirche erklärte. 
Im Einverständnis mit Pipin stellte er dann auch im westlichen Teil des Fran— 
kenreichs, dem heutigen Frankreich, dieselbe Kirchenverfassung her und ließ die 
Oberhoheit des Papstes von allen Bischöfen anerkennen. 
. Nachdem Bonifacius 30 Jahre lang für die Ausbreitung des Chri⸗ 
stentums in Beutschland gewirkt hatte, ward er zum Erzbischof von Mainz 
gewählt. In dieser mächtigen Stellung salbte er Pipin den Kleinen, den starken 
Reichsverweser des Frankenreichs, zum König; aber die Vollmacht dazu ließ 
er sich vom Papste geben, so daß auch dies Ereignis wesentlich dazu beitrug, 
die strenge kirchliche Ordnung und die Oberhoheit des Papstes zu befestigen. 
Aber obgleich er so der erste Kirchenfürst Deutschlands war, vergaß er 
doch nicht seiner eigentlichen Lebensaufgabe, der mündlichen Verkündigung des 
Evangeliums und der Heidenbekehrung. In seinem siebzigsten Jahre legte er 
seine erzbischöfliche Würde nieder und ging noch einmal als Glaubensbote oder 
Missionar zu den westlichen Friesen. Keine Gefahr oder Beschwerde achtend, 
zog er von Ort zu Ort und predigte mit solcher Begeisterung, daß täglich Hun⸗ 
derte sich taufen ließen. Aber in der Gegend des heutigen Groeningen drang 
eine Schar heidnischer Friesen, voll Erbitterung über die Zerstörung ihrer Götzen⸗ 
bilder auf ihn ein; seine Begleiter griffen zu den Waffen, aber er verbot ihnen 
jeden Widerstand, indem er auf die fromme Ergebung des Heilandes verwies; und 
so erlit er mit 52 Genossen den Märtyrertod im Jahre 755. Sein Schwert und 
Schild war der Glaube an Jesus Christus; aber mit dieser Wehr und Waffe hat 
er Dinge vollbracht, die vorher unmöglich erschienen waren. (Dielitz.) 
In angelsächsischer Sprache lautet sein Name Nynfreth, von Wyn d.h. Glück, 
lateinisa bonum fatum; daraus erklärt sich auch sein Beiname. der urkundlich nur 
Bonifatius geschrieben wird. 
198. Karl der Großee. 
4. ipin der Kleine, der im Einverständnis mit dem Papste dem letzten 
Sprößling des verkommenen Herrschergeschlechts der Franken die Locken 
geschoren und ihn in ein Kloster gesandt, dann aber selbst den Thron des mäch— 
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