fullscreen: Geschichte des deutschen Volkes

Stellung der Landesherren im Allgemeinen. § 246—247. 149 
wohl ganz zu unterwerfen; wohingegen diese wieder voll Muth und Trotz sich 
ihrer Unabhängigkeit wehrten, oft sogar eine herausfordernde Stellung einnahmen. 
Arer auch die Fürsten fanden eine Schranke ihrer Gewalt in ihren Land¬ 
ständen, d. i. in ihren abhängigen (nicht reichsfreien) Städten, Adlichen und 
Geistlichen; denn es wiederholte sich (§ 203) nun in den Territorien dasselbe 
im Kleinen, was im Reiche im Großen geschehen war: Adel und Städte strebten 
auch hier mehr und mehr zur Unabhängigkeit empor. Die Fürsten boten ihnen 
selbst die Gelegenheiten; denn diese brauchten, um mit angemessenem Glanz aufzu¬ 
treten, oft auch um die Kosten eines wüsten Hoflebens bestreiten zu können, um 
Kriege zu führen oder ihren Töchtern Hochzeiten anszurichten und Mitgiften zu 
geben, Geld, das mehr und mehr eine Macht wurde. Abgaben in Geld aber 
hatte das frühere Mittelalter nicht gekannt, es kannte nur persönliche Dienst¬ 
leistungen; die Fürsten hatten mithin weder die Macht noch das Recht, ohne 
Weiteres solches zu erheben und mußten sich an den guten Willen ihrer Land¬ 
stände wenden, mußten ihnen mit einer Bitte (Bede in Norddeutschland genannt) 
kommen, um von ihnen Geld zu erhalten. Dieses gewährten sie, aber nicht 
ohne Bedingungen für sich auszumachen, und so geschah es, daß sie sich öfter, 
zuletzt regelmäßig versammelten; daß sie als erstes Recht die Steuerbewilli¬ 
gung in Anspruch nahmen, dann häufig auch noch eine Beaufsichtigung über 
die Verwendung der bewilligten Gelder forderten; ja, daß sie zu jeder Abschließung 
neuer Bündnisse oder Verträge, zu jeder neuen Landestheilung gefragt sein 
wollten, geschweige bei Verkauf oder Verpfändung einzelner Landestheile, was 
auch vorkam. So war also die Fürstengewalt nach untenhin ebenso gebunden, 
wie sie selbst nach obenhin die Reichsgewalt band. Für Gelder, welche die 
Landstände bewilligten, ließen sich diese schließlich die landesherrlichen Rechte, 
Gerichtsbarkeiten, Zölle übertragen — und somit fielen fast alle Lasten auf die 
„armen Leut", vorzugsweise aus die Bauern, die allmählich in einen namenlos 
elenden Zustand hinunter sanken. Und doch hatte auch der Ritter, der mit 
Geld nicht umzugehen verstand, oder der Fürst, der es nur um immer größere 
Opfer, gleichsam um sein Kapital, kaufte, ebenso wenig Segen von solcher 
Bedrückung. 
§ 247. Diese Zersetzung des Reichs in Territorialgewalten, und 
wieder die Zersetzung dieser nach unten hin, hatte in einer Beziehung ihr Gutes; 
sie lehrte den Mann, der sich auf allgemeine Ordnung nicht stützen konnte, nach 
altgermanischer Weise aus sich selber ganz allein zu stehen, Muth, Klugheit und 
Geistesgegenwart auszubilden; später konnte auch Wissenschaft und Kunst in 
eigenthümlicher Weise von den kleinen Fürsten und Herren im Reiche gepflegt 
werden. Auf der andern Seite erwuchs aber noch viel mehr Rohheit, Gewalt- 
thätigkeit, Frevel und Grausamkeit aus diesem, im großen Ganzen rechtlosen 
Zustande, und wie er endlich das Reich an den Rand des Abgrunds führte, 
haben wir bereits zur Genüge gesehen. 
Wir suchen nun in den folgenden Abschnitten ein Bild des also veränderten 
deutschen Reiches in seinen wichtigsten Territorien und regierenden Geschlechtern 
(Dynastien) zu gewinnen, indem wir bei unserer Uebersicht von der, unter 
Maximilian I. eingetretenen Kreiseintheilung ausgehen.
	        
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