8 Kap. 2. § 11. Innere Zustände. Kap. 3 § 12. Die Baiern unter fränk. Herrschaft.
(wahrscheinlicher wohl, weil er noch Allode besaß), so mußte er sechs Jahre
darauf 794 zu Frankfurt a. M. in einer Kirchenversammlung durch einen
feierlichen Eid ein für allemal seinem Herzogtum (und allem eigenen
Besitztum) entsagen. Er starb, nachdem er vom Kloster Gemau (Jumleges)
bei Rouen in Frankreich nach dem Kloster Lorsch übergesiedelt, im letzteren
am 11. Dezember, unbekannt in welchem Jahr, und wurde daselbst begraben.
Mit -Tassilo II hört die 280jährige Herrschaft der Agilolsinger in Baiern
auf. Baiern wurde eine fränkische Provinz und Gaugrafen unter¬
geben. Um diese Zeit wurde gegen bie Slaven an der Nordgrenze der
böhmischen Mark, im heutigen Ostfranken unb im Osten ber Saale, bie so =
rabische Mark gegrünbet.
Unter bett Agilolfingern hatte Baiern seinen größten Umfang unb war babei sehr
volkreich, tote denn selbst der bairische Wald wohl bewohnt unb bestellt war, unb allein
ber Salzachgau mehrere hundert Ortschaften umfaßte. In ben Forsten gab es wohl noch
vtele wilde Tiere, selbst den Ur, aber um so eifriger würbe bie Jagb von jedem
m tx-s.- ^u! Baumzucht würbe Sorgfalt gewenbet, und Entwendung oder
-öqchäbtgung von Bäumen, besonders von Obstbäumen, wurde mit Geld und Überdies
mtt der Auflage, neue Bäume zu setzen, bestraft. — Einen bedeutenden Ertrag gaben die
Salzquellen: schon zur Zeit des h. Rupert wurde das Salzwasser zu Reichenhall
veriotten, und Schenkungen von Salzpfannen wurden von Seiten der Herzoge an ber*
fcgtebene Klöster, gemacht. Die Flußschifffahrt war schon von den Römern her im
Gang und der Überfluß an Getreide auf dem Inn und der Donau nach Wien ausgeführt.
— Der Wernbau war frühe verbreitet und die meisten bairischen Klöster hatten Wein¬
berge. Die allgemeine deutsche Gauverfassung fand sich auch in Baiern; zu den
aus jener Zeit aufgeführten Gauen gehören; der Nordgau und Kellesgau (nördlich
ber Donau); der Donaugau (zwischen Regensburg, Deggendorf und Landshut), der
Sundergau (zwischen Inn und Isar), der Chiemgau, der Thalgau (bei Kufstein),
der Vtntschgau (in Tirol), der Oberinngau, der Traungau, Salzachgau u. f. w.
Die bajuwarischm Gesetze hatten Die wesentlichen Bestimmungen mit den anderen alten
germanischen Gesetzen gemein.
Den bajuwarischen Gesetzen zufolge bestand das Einkommen der agilolfingischen
Herzoge int Ertrag zahlreicher Villen oder Meierhöfe, in Naturallieferungen, mit denen
die Freien^ im Frühling und Herbst bei allen Landesversammlungen erscheinen mußten,
und aus einem Anteil an den gerichtlichen Strafgeldern. Außerdem standen ihnen viele
Regalien in Bezug auf Jagd, Fischerei, Mineralien, Salzquellen, Märkte und Zölle zu.
— Als vornehmste Geschlechter (nach dem agilolfingischen) werden genannt: die Huosi
(zwischen Lech, Isar, Donau und den Alpen); die Vagana (an der Sempt und Mangsall);
die Drozza; die Hagilinga; die Ainiona. Das Leben eines Gliedes dieser Geschlechter
wurde zweimal so hoch geschätzt, als das Leben eines Gemeinfreien; das Leben eines Agilol-
stngers galt viermal so viel. — Zu den gebilbetsten Männern ber agilolfingischen
Periode gehören der Bischof Arbeo von Freising, der Bischof Virgil von Salz¬
burg, der schon die Existenz der Gegenfüßler behauptete, und der Weihbischof desselben,
der Grieche Tuti, später Abt von Chiemsee. — Der in § 9 erwähnte h. Wilibald
hatte einen Bruder Wunibald unb eine Schwester Walpurgis, mit deren Hilfe er
das Kloster Heibenheim stiftete, welchem zuerst Wunibald, dann nach dessen Tobe (761)
Walpurgis vorstanb. Sie starb 780 wurde später kanonisirt und als Beschützerin gegen
„Bezauberungen" verehrt. An sie erinnert das Walburgisfeuer in der Walburgisnacht
(ber Nacht auf bert 1. Mai) zur Abhaltung ber Hexen, bie auf ben Blocksberg reiten ober
Menschen und Vieh schaden wollen, ein Überrest der altheitmischm, der Göttin Ostera
gewidmeten Frühlingsfeier.
Kap. 3. Die Baiern unter fränkischer Herrschaft.
788—911.
(12.) Obgleich nun Bajuwarien zu einer fränkischen Provinz herabge¬
sunken war, so ließ Karl ber Große bert Baiern boch ihre nationale
Selbstänbigkeit, ihre herkömmlichen Gesetze unb ihre alte Gau- unb