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Jütland auseinandergehalten. Früh erwachte schon der Wunsch die
zeitraubende Reise um diese Halbinsel durch einen kürzeren Weg zu er¬
setzen. Dieses Verlangen wurde unterstützt durch die Tatsache, daß
die Jütland umgebenden Meeresteile durch ihre Küstenbildung, ihre
Tiefenverhältnisse und die Häufigkeit heftiger Stürme die Schiffahrt in
jenen Gegenden mit ganz besonderen Gefahren bedrohen. Aber auch
die Erwägung, daß im Kriegsfall der Feind die Durchfahrt sperren oder
wenigstens zeitweise hemmen könnte, ließ die Anlage einer Wasserstraße,
die den Körper Holsteins von der Elbemündung bis zur Kieler Bucht
zu durchqueren gehabt hätte, als äußerst wünschenswert erscheinen.
Freilich konnte ein solches Riesenwerk, das den Handels- wie den Kriegs¬
schiffen unseres Volkes sowohl Zeitersparnis als auch Sicherung gegen
die Gefahren der Natur wie gegen feindliche Angriffe bieten sollte, nur
von einem über bedeutende Machtmittel verfügenden Staat ausgefi'chrt
werden. So erfolgte denn auch die Verwirklichung des lange gehegten
Wunsches erst nach dem endlich erreichtenZusanimenschluß unseres Vater¬
landes und gerade sie gehört zu den stolzesten Leistungen des neuen
Teutschen Reiches.
Seit am 16. März 1886 der Deutsche Reichstag den denkwürdigen
Beschluß zur Ausführung des gewaltigen Unternehmens faßte, sind bis
zur Vollendung desselben acht Jahre verstrichen. Jahre der regsten
Arbeit. Viele Hunderte rlihriger Hände sind, solange nicht Winterfrost
die Erde festete, Tag für Tag am Werk gewesen. Hier mußten ge¬
waltige Erdaufschüttungen vorgenommen werden; da wurden Schienen¬
wege gelegt, auf denen zahlreiche Erdtranspvrtzüge hin- und hereilten.
Dort mußte man das ausgehobene Erdreich loszuwerden suchen: deshalb
war auf der Kieler Bucht eine mit Dampf fahrende Baggerschute tätig,
welche es weit hinaus in die offene See trug um es dort zu versenken.
An anderen Stellen sperrten die Bahn des Kanals jene riesenhaften
Findlingsblöcke, die in der friiheren Eiszeit von Norwegens Bergen auf
Eismassen in die Holsteinische Ebene hinabgeführt worden waren; da
mußte man die gewaltige Sprengkraft des Dynamits zu Hilfe nehmen
um Raum zu schaffen. Sorgsam wußten dann die Wasserbaumeister die
gesprengten Steine zu verwerten, wo es galt auf moorigem Untergründe
ein sicheres Fundament für die Schienenwege zu legen, auf denen die
gewaltigen Massen ausgehobener Erde befördert wurden. Dabei waren
Tag und Nacht zahlreiche Dampfpumpen in Tätigkeit das durch unter¬
irdische Quellen, Regenfälle und dergleichen sich sammelnde Wasser zu
entfernen.