Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte oder umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte

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Außer der großen Fruchtbarkeit aber, welche Aegypten den Ueber- 
schwemmungen des Nil verdankt, erzeugt eben dieser Nilschlamm eine 
Menge bösartiges Ungeziefer, besonders Schlangen. Wie indeß in der 
Natur selten ein Uebel ohne ein Gegenübel ist: so findet sich auch hier 
ein storchartiger Vogel, Ibis, der die Schlangen und andere Thiere, 
die aus dem Nilschlamm entstehen, frißt. Die Dankbarkeit der Aegypter 
hat daher diese Vögel göttlich verehrt und sie begraben, wie man die 
Menschen in Aegypten begrub. Man balsamirte sie nämlich ein mit 
wohlriechenden und solchen Spezereien, welche die Fäulniß abwehren, 
überzog sie äußerlich mit einer härtenden aber durchsichtigen Materie 
und setzte sie so in Gewölben bei. Man nannte solche einbalsamirte 
Leichname Mumien, von dem Namen eines persischen Erdharzes, Mum; 
und noch jetzt haben sich mehrere derselben erhalten. Einige sind auch 
nach Deutschland gebracht und man findet eine in Darmstadt, andere 
in Gotha, Berlin u. a. a. O. 
An Holz und Metallen fehlt es in Aegypten fast ganz: einen um 
so größern Vorrath von Steinen dagegen boten die östlichen Felsen an 
der arabischen Gränze. Alle Wohnungen waren daher aus gebrannten 
Ziegelsteinen oder aus behauenen Felsstücken; und ich habe vorher schon 
angeführt, daß die Aegypter wohl mit das älteste Volk waren, welches 
feste Häuser zu bauen verstand. Indeß hatten sie deswegen nicht gleich 
alle die Werkzeuge, die wir jetzt zum Häuserbau gebrauchen: Menschen¬ 
hände und geduldige Beharrlichkeit mußten die Instrumente ersetzen. 
Dadurch haben sie in einer Zeit, die über alle unsere Nachrichten 
hinausgeht, die Obelisken und die Pyramiden aufgeführt. 
Obelisken sind viereckige oben spitzzulaufende Säulen: jede Seite 
hat unten 5, 10, 20 bis 25 Fuß. Hoch waren sie 50, 60, 100 bis 
180 Fuß, und jede, auch die höchste von 180 Fuß, bestand aus einem 
einzigen Stein, aus dem härtesten Granit. Ein solches Felsstück mußte 
von vielen tausend Arbeitern, mit Meißeln und Hämmern, die weit 
unvollkommener waren als die unsrigen, aus den östlichen Felsen aus¬ 
gehauen, auf allen Seiten mit anderen Steinen glatt gerieben, in die 
Kanäle des Nils gebracht, auf Flössen fortgeschifft, und endlich am 
Nil, vor Tempeln, Gärten, Palästen oder auf öffentlichen Plätzen auf¬ 
gerichtet werden, als Denkmal merkwürdiger Begebenheiten oder als 
Zierde und später auch als Sonnenzeiger. — Und zu den ungeheueren 
Arbeiten, die hierbei nöthig waren, fehlte es fast gänzlich an Maschinen 
und Kenntnissen, die uns jetzt eine solche Arbeit erleichtern: man findet 
z. B. keine Nachricht von künstlichen Winden; das alles ersetzte die 
Menschenmenge: auch sollen an dem größten Obelisk von 180 Fuß 
20,000, oder wie einige glauben, gar 120,000 Menschen gearbeitet 
haben. Der römische Kaiser Augustus, unter dem Christus geboren 
worden ist, ließ mehrere dieser Obelisken von Aegypten nach Rom 
bringen und dort, in der Hauptstadt der damals bekannten Welt, auch 
diese Wunder des menschlichen Kunstfleißes aufstellen. Einige Kaiser 
nach Augustus ließen noch einige von Aegypten bringen und in Rom 
aufrichten: als aber um's Jahr 400 nach Christo wilde barbarische 
Völker ganz Italien und auch die Hauptstadt des Landes, Rom, ver- 
heereten und ausplünderten, wurden die Obelisken umgestürzt und zer¬ 
brochen. So lagen diese Felsstücke über 1000 Jahre mit Schutt und
	        
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