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Zweite Periode.
tung für ganz Deutschland nicht in Erfüllung ging, st) erhob
sich auch in Hamburg bald darauf ein wüthiger Kämpfer für
Wahrheit und Recht. Dieser war Ordo Stemmel oder
Steenmeel, (1521) Pastor an der Catharinen-Kirche und
Vicarius am Dom; er eiferte mächtig gegen die Sittenlosigkeit
der Geistlichen, wie gegen die verderbliche Predigt des Ablasses.
Auch blieb sein Streben nicht unbemerkt, denn man begann
ihn anzufeinden, und weil er schon hochbejahrt war, so legte
er sein Amt nieder und starb in Ruhe im Jahr 1528.
Schon hatte der ausgestreute Same Wurzel geschlagen,
denn die Obern und Aelterleute der vier Kirchspiele traten
schon 1522 zusammen, und gelobten einander schriftlich, wie
mündlich, daß sie sich den Hemmungen und Bannen, wie
andern ungebührlichen Anmaßungen der Geistlichkeit wider¬
setzen und besonders ihre Schulen in bessere Ordnung brin¬
gen wollten. Eine Kirchenvisitation, von dem damaligen
Domdechanten gehalten, bekümmerte sich wenig um die Män¬
gel der Kirche und konnte die Sehnsucht nach Verbesserung
nicht befriedigen, die indeß bald an Stemmel's Statt einen
andern wackern Vertheidiger fand, Stephan Kempe. Er
kam im Jahre 1523 als Franziskaner Mönch von Rostock,
in Angelegenheiten seines Ordens an das hiesige Marien-
Magdalenen-Kloster gesendet; und da seine Predigt, die er
während seiner Anwesenheit hielt, außerordentlichen Beifall
fand, so ward er auf wiederholtes Begehren der Bürger zum
Prediger an der Marien-Magdalenen-Kirche erwählt und fuhr
nun fort, die neue Lehre des Evangeliums zur großen Er¬
bauung der zahlreich ihm zuströmenden Zuhörer vorzutragen.
Neid und Fanatismus erweckten ihm sogleich manche Feinde,
zu denen namentlich gehörten: Pastor Fi sch deck an Catha-
rinen, der erst durch eine reiche Pfründe, die ihm das Dom¬
capitel schenkte, für die Gegner der Aufklärung gewonnen