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Zweite Periode.
der Kirchen und vier Gelehrten vorzuladen, in Folge dessen
Bustorp zum Widerruf verurtheilt, aber auch der Capellan
wegen seiner harten Aeußerungen seines Amtes entsetzt ward.
Zwar wirkte dieses noch nicht viel, indem nicht einmal Bu¬
storp wirklich widerrief, aber es war doch die erste össent-'
liche Anerkennung der Wahrheit, und muthig suchten die
Evangelischen auch ferner Gutes zu wirken. Namentlich er¬
richteten sie am 16. August 1527 anfänglich' nur im Nico-
colai-Kirchspiel, späterhin auch in den andern, eine Armcn-
casse, der Gotteskasten genannt, dessen Verwaltung zwölf
Männern übergeben ward; sie setzten fest, daß die Bestellung
der Kirchendiener nicht mehr von dem Kapitel abhängig
sein und ihre Schule nach der sächsischen Schulordnung ein¬
gerichtet werden solle. Von jener Einrichtung erhielten sie
den Spottnamen: Kastenleute;, während man die Katholi¬
schen, die im Johanniskloster häufig ihre Versammlungen
hielten, Johannisleute zu nennen pflegte.
Endlich kam im Jahr 1528 die Reformation zu Stande.
Auf's neue brachte um die Fastenzeit dieses Jahres der
Mönch Rensborg in der Johanniskirche die Lehre auf die
Kanzel, daß es gefährlich, ja verdammlich sei, das Abendmahl
unter beiderlei Gestalt zu empfangen; Kempe konnte nicht
unterlassen, eben so öffentlich gegen diese Lehre zu reden,
weil seine Beichtkinder Anstoß daran nahmen. Der Streit
ward wieder sehr erbittert, da Rensborg geradezu jede per¬
sönliche Disputation verweigerte, und wenn man die Macht
des religiösen Wahnes bedenkt, so scheint wenigstens die Er¬
zählung nicht ganz unglaublich, daß die Johannisleute den
Plan entworfen hätten, alle evangelischen Prediger und ihre
Anhänger zu ermorden. Wenigstens waren die Gemüther
so beunruhigt, daß sich die Bürger aus allen vier Kirch¬
spielen am 27. April nach dem Rathhause verfügten und