Full text: Die vorchristliche Zeit (Theil 1)

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ihrer Gewohnheit Zank und Hader stiften und die Heiterkeit des Festes stören. 
Vor Ingrimm über diese Zurücksetzung sann sie auf Rache. Wahrend sich alle 
Gäste der Freude des Festes Hingaben, öffnete sie die Thür des Saales und ließ 
einen goldenen Apfel mit der Aufschrift: „Der Schönsten !" über den Fußboden 
Hinrollen. Kaum aber hatten die Göttinnen den Apfel und seine Aufschrift ge¬ 
sehen, als sich über den Besitz desselben ein lebhafter Streit unter ihnen erhob, 
indem jede behauptete, die Schönste zu sein. Am meisten Ansprüche machte 
jedoch Here (lat. Juno), die Königin des Himmels und Gemahlin des Zeus 
(Jupiter), dann Pallas Athene (Minerva), die Göttin der Weisheit und Aphro¬ 
dite (Venus), die Göttin der Liebe. Da keine von ihnen nachgeben wollte, befahl 
Zeus, um allem Streite ein Ende zu machen, daß der Götterbote Hermes 
(Merkur) die streitenden Göttinnen zu einem durch seine Schönheit berühmten 
Prinzen führen sollte, nämlich zum Paris, Sohu des trojanischen Königs 
Priamus; dieser möge dann als Schiedsrichter ihren Streit schlichten. Der 
schöne Königssohn weidete gerade die Heerden seines Vaters am Berge Jda, 
als die drei Göttinnen vor ihm erschienen und ihm die Ursache ihres Streites 
vortrugen. Eine jede suchte ihn durch Versprechungen zu gewinnen: Here 
verhieß ihm, wenn er sie für die Schönste erklären würde, die Herrschaft über 
alle Länder der Erde; Athene versprach ihm den Ruhm eines Weisen unter 
den Menschen, Aphrodite aber gelobte, ihm Helena, die schönste Frau der 
Erde, zu schenken. Dieses Geschenk zog Paris allen übrigen vor; er erklärte 
Aphroditen für die schönste Göttin und überreichte ihr den goldenen Apfel. 
Zum Dank dafür geleitete die Venus den Paris nach Sparta in Griechenland, 
zum König Menelaus, der sich mit der schönen Helena vermählt hatte. Mene- 
laus nahm den trojanischen Prinzen sehr gastfreundlich aus, aber dieser vergalt 
das Gastrecht schlecht. Denn eines Tages, wo der König abwesend war, entführte 
er diesem die Gemahlin mit allen ihren Schätzen und entfloh mit der kostbaren 
Beute nach Troja. 
Darob schworen die Griechensürsten den Trojanern Rache, und als König 
Priamus sich weigerte, die geraubte Helena zurückzusenden, begannen die Grie¬ 
chen einen zehnjährigen Krieg gegen Troja, der mit dem Untergange dieses 
Reiches endigte. 
2. Die Griechen in Aulis. 
Am eifrigsten rüsteten sich zum Kriege Menelaus und sein Bruder Aga¬ 
memnon, König von Argos und Mpcene, der mächtigste der griechischen Für¬ 
sten. Sie entboten aber auch die Könige aller übrigen Griechenstädte, und es 
dauerte nicht lange, so strömten von allen Seiten Heerschaaren zusammen, um 
an dem Rachekriege gegen das übermüthige Troja Theil zu nehmen. Die Hel¬ 
den versainmelten sich in dem Hafen Aulis in Böotien, wo eine Flotte von 
1200 Schiffen, die über lOO,000 Krieger trugen, zusammenkam. Lange schon 
lagen die Schiffe zur Abfahrt gerüstet im Hafen, aber anhaltende Windstille 
hielt die Harrenden zurück. Da brach Unzufriedenheit aus im griechischen 
Heere. Um nun die Ursache der ungünstigen Winde zu erfahren, wurde Kalchas, 
der Wahrsager, aufgefordert, seine Meinung zu sagen und ein Mittel anzuge- 
ben, wie dem Uebel abgeholfen werden könnte. Der Seher verkündigte, daß 
Artemis (Diana), die Göttin der Jagd, erzürnt sei, weil Agamemnon die ihr 
geheiligte Hirschkuh erlegt habe, und daß der Zorn der Göttin nur durch den 
Opfertod der Jph igen ia, der Tochter Agamemnons, versöhnt werden könnte.
	        
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