Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

V. 
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Denn die Alten hatten weder solches Papier, wie wir, noch wurden ihre Bü¬ 
cher so gebunden wie die unsrigen. Man schrieb vielmehr auf die eine Seite 
einer Pergamenthaut und legte dieses Pergament dann aufgerollt hin. Oder 
man bereitete sich ein Papier aus der Zwiebel der in Aegypten häufig wach¬ 
senden Papyrusstaude, indem man die Haute der Zwiebeln abschälte, sie ein¬ 
weichte, dann übereinander legte und so lange schlug, bis sie breiartig wurven. 
Aus dieser breiartigen Masse bildete man dann große Bogen, auf welche man, 
wenn sie getrocknet waren, die Buchstaben mit schwarzer Farbe auftrug. Von 
dieser Art waren jene pompejanischen Rollen; aber sie waren von der heißen 
Asche ganz verkohlt, und als man sie auseinander rollen wollte, fielen sie wie 
mürber Zunder zusammen. 
So viel über Pompeji und Herkulanum. Auf jenes Unglück folgte 
eine Feuersbrunst in der Hauptstadt Rom, und dann wieder eine schreckliche 
Pest, die Tausende von Menschen hinwegraffte. Der menschenfreundliche 
Titus war überall mit seiner Hülfe gegenwärtig, wo die Roth am größten war. 
Das Wohlthun war seine Lust, und er pflegte jeden Tag für verloren zu achten, 
an welchem er seinen Mitmenschen nicht genützt hatte. Leider sollte seine treff¬ 
liche Regierung nur zwei Jahre währen; er ftarb, vielleicht durch seinen heim¬ 
tückischen Bruder Domitian vergiftet. 
Trajan. 
i. 
Trajan, ein Spanier von Geburt, war der erste Ausländer auf dem rö¬ 
mischen Kaiserthrone. Schon ausgezeichnet als Feldherr wurde er einer der 
besten Kaiser, die regiert haben. Auch unter seiner zwanzigjährigen Regie¬ 
rung fehlte es nicht an Unglücksfällen aller Art; hier zerstörte ein Erdbeben 
ganze Gegenden, dort entstand eine Hungersnoth und Rom litt durch Feuers- 
brünste, bei denen auch Nero's goldenes Haus, auf welchem wohl der Fluch 
des Himmels ruhen mußte, abbrannte. Aber Trajan's milde Hand linderte, 
dem Titus gleich, überall das Unglück. Unter dem abscheulichen Domitian 
waren wieder die heimlichen Angebereien eingerissen; Trajan reinigte Rom 
von dem Gesindel der Ankläger, die so vieler unschuldiger Menschen Leben auf 
ihrem Gewissen hatten ; er ließ sie auf Schiffe packen und schickte sie auf wüste 
Inseln, wo sie kein Unheil stiften konnten. Die vorigen schlechten Kaiser hat¬ 
ten sich ängstlich mit Wache uwgeben, und waren doch ermordet worden. 
Trajan umgab sich daher mit einer stärkeren Wache, mit der Liebe seiner Un- 
terthanen. Er ließ auch seine Bildsäulen nicht ausstellen, um verehrt zu 
werden, denn in den Herzen seiner Unterthanen hatte er sich ein bleibendes 
Denkmal errichtet. Sein Palast stand für Jeden den ganzen Tag offen,und 
mit Allen sprach er freundlich. So lebte er wie ein Vater in der Mitte seiner 
Kinder. Den durch Unglücksfälle verarmten Provinzen erließ er die Abgaben 
oder mäßigte sie; zur Hebung des Verkehrs legte er Landstraßen an; für arme 
Kinder stiftete er Erziehungsanstalten. Es war keine Schmeichelei, wenn das 
Volk ihn „den Besten" nannte, und wenn man in späteren Zeiten den Kaisern 
und dem Volke etwas Gutes wünschen wollte, sagte man ihnen: „Sei glück¬ 
licher, als August, und besser als Trajan!" 
Auch als Feldherr war er groß. Schon waren deutsche Stämme über 
die entlegenen Grenzen hereingebrochen, und der feige Domitian hatte ihnen
	        
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