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Denn die Alten hatten weder solches Papier, wie wir, noch wurden ihre Bü¬
cher so gebunden wie die unsrigen. Man schrieb vielmehr auf die eine Seite
einer Pergamenthaut und legte dieses Pergament dann aufgerollt hin. Oder
man bereitete sich ein Papier aus der Zwiebel der in Aegypten häufig wach¬
senden Papyrusstaude, indem man die Haute der Zwiebeln abschälte, sie ein¬
weichte, dann übereinander legte und so lange schlug, bis sie breiartig wurven.
Aus dieser breiartigen Masse bildete man dann große Bogen, auf welche man,
wenn sie getrocknet waren, die Buchstaben mit schwarzer Farbe auftrug. Von
dieser Art waren jene pompejanischen Rollen; aber sie waren von der heißen
Asche ganz verkohlt, und als man sie auseinander rollen wollte, fielen sie wie
mürber Zunder zusammen.
So viel über Pompeji und Herkulanum. Auf jenes Unglück folgte
eine Feuersbrunst in der Hauptstadt Rom, und dann wieder eine schreckliche
Pest, die Tausende von Menschen hinwegraffte. Der menschenfreundliche
Titus war überall mit seiner Hülfe gegenwärtig, wo die Roth am größten war.
Das Wohlthun war seine Lust, und er pflegte jeden Tag für verloren zu achten,
an welchem er seinen Mitmenschen nicht genützt hatte. Leider sollte seine treff¬
liche Regierung nur zwei Jahre währen; er ftarb, vielleicht durch seinen heim¬
tückischen Bruder Domitian vergiftet.
Trajan.
i.
Trajan, ein Spanier von Geburt, war der erste Ausländer auf dem rö¬
mischen Kaiserthrone. Schon ausgezeichnet als Feldherr wurde er einer der
besten Kaiser, die regiert haben. Auch unter seiner zwanzigjährigen Regie¬
rung fehlte es nicht an Unglücksfällen aller Art; hier zerstörte ein Erdbeben
ganze Gegenden, dort entstand eine Hungersnoth und Rom litt durch Feuers-
brünste, bei denen auch Nero's goldenes Haus, auf welchem wohl der Fluch
des Himmels ruhen mußte, abbrannte. Aber Trajan's milde Hand linderte,
dem Titus gleich, überall das Unglück. Unter dem abscheulichen Domitian
waren wieder die heimlichen Angebereien eingerissen; Trajan reinigte Rom
von dem Gesindel der Ankläger, die so vieler unschuldiger Menschen Leben auf
ihrem Gewissen hatten ; er ließ sie auf Schiffe packen und schickte sie auf wüste
Inseln, wo sie kein Unheil stiften konnten. Die vorigen schlechten Kaiser hat¬
ten sich ängstlich mit Wache uwgeben, und waren doch ermordet worden.
Trajan umgab sich daher mit einer stärkeren Wache, mit der Liebe seiner Un-
terthanen. Er ließ auch seine Bildsäulen nicht ausstellen, um verehrt zu
werden, denn in den Herzen seiner Unterthanen hatte er sich ein bleibendes
Denkmal errichtet. Sein Palast stand für Jeden den ganzen Tag offen,und
mit Allen sprach er freundlich. So lebte er wie ein Vater in der Mitte seiner
Kinder. Den durch Unglücksfälle verarmten Provinzen erließ er die Abgaben
oder mäßigte sie; zur Hebung des Verkehrs legte er Landstraßen an; für arme
Kinder stiftete er Erziehungsanstalten. Es war keine Schmeichelei, wenn das
Volk ihn „den Besten" nannte, und wenn man in späteren Zeiten den Kaisern
und dem Volke etwas Gutes wünschen wollte, sagte man ihnen: „Sei glück¬
licher, als August, und besser als Trajan!"
Auch als Feldherr war er groß. Schon waren deutsche Stämme über
die entlegenen Grenzen hereingebrochen, und der feige Domitian hatte ihnen