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21. Die Umgebungen von Hamburg. 
Zu dem Gebiete der freien Stadt Hamburg gehören unter andern 
die Vierlande, 4 von Deichen überall eingeschlossene Landschaften, 
welche zwischen der Elbe und einem ihrer Nebenflüßchen liegen und von 
7000 Menschen bewohnt sind. Die Vierlande sind ein außerordentlich 
gesegneter Landstrich. Die niedrige Lage der Ländereien, welche jährlich 
vom Ende des Herbstes bis zu Anfang des Frühlings mit Wasser über- 
flosien sind, machen sie zu einem nordischen Ägypten, denn hier so wie 
dort lasten diese Überschwemmungen den fettesten Dünger zurück. Daher 
ein Wachsthum wie in Ägypten, vorzüglich durch Begünstigung des 
milden Klimas, indem sowohl die Teiche, als die Hügelkette im Norden 
und Osten die Landschaft gegen kalte Winde schützen. Überraschend und 
herrlich, selbst großartig ist der Anblick des von der Elbe und ihren Ar¬ 
men umflutheten Landes. In seinem Innern zeigt es sich freundlich und 
lieblich als ein Bild der Ordnung, des regsamen Fleißes und des Über¬ 
flusses. Von unzähligen Gräben zur Ableitung der Gewässer durchschnit¬ 
ten. welche überall mit Bäumen oder Gebüschen umpflanzt sind, von 
Deichen zur Abwehr der Fluchen umgeben, bietet diese fruchtbare Land¬ 
schaft ungeachtet ihrer ebenen Fläche durch ihre freundlichen Kirchen, Woh¬ 
nungen und Obstbaumgruppen vielfache Abwechselungen und selbst über¬ 
raschende Parthien dar. Unabsehbare Weizenfelder, Wiesen von üppigstem 
Graswuchs wechseln mit weitläufigen Gemüse-, Obst- und Blumengär¬ 
ten, wie auch mit Himbeer- und Erdbcer-Feldern. In der Blüthenzeit des 
Frühlings erscheint dieser große Garten, in seiner Art schwerlich übertros- 
fen, in der herrlichsten Pracht der Natur. Man findet kein Fleckchen, das 
nicht mit Einsicht und Sorgfalt benutzt wäre. Denn die Vierländer sind 
die geschicktesten Obstgärtner, und ziehen trotz der nördlichen Lage selbst 
die vortrefflichsten Pfirsiche und Aprikosen. Vorzüglich gedeihen jedoch 
die Kirschen und Pflaumen. Mancher Landmann verkauft jährlich 20 000 
bis 30 000 Pfund Kirschen nach Hamburg. Erdbeeren und Himbeeren 
werden auf besonderen Feldern in sehr großer Menge gezogen, so wie auch 
medizinische Pflanzen. Die Erdbeeren hat man so zu veredeln gewußt, 
daß sie die vorzüglichsten im nördlichen Deutschland sind. Jährlich werden 
für 50 000 bis 60 000 Mark (ä 42 Kreuzer) Erdbeeren nach Hamburg 
verkauft. Eben so ausgezeichnet ist der Gemüsebau. Die Erbsen werden 
schon im Januar in Stuben ausgezogen und dann im Februar und März 
ins Freie verlegt; Kartoffeln werden in Körben an den Decken der Wohn¬ 
zimmer aufgehängt, dorr zum Keimen gezwungen und hernach mit sorg¬ 
fältiger Schonung der Keime ins Land gepflanzt. Hausthiere aller Art, 
so wie zahmes Geflügel findet man in bedeutender Anzahl und von be¬ 
sonderer Güte. Die Kühe namentlich sind groß und schön, und man 
rechnet, daß eine gute Kuh täglich 12 Kannen (Maaß) Milch liefert. 
Die Bewohner der Vierlande stammen wahrscheinlich von Kolonisten ab, 
die im 12. Jahrhundert aus den Niederlanden hierher versetzt wurden, 
und zeichnen sich durch ihre Kleidertracht sowohl, als manche ihnen aus¬ 
schließlich eigenen Sitten und Gebräuche aus, so daß sie als ein von ihren 
übrigen Nachbarn ganz verschiedener Volksstamm gelten. Von der Na¬ 
tur mit starkem Körperbau, Kraft und Gesundheit begabt, sind sie regsam 
und fleißig, dienstwillig, höflich, bescheiden, aufgeklärt und fromm, voll 
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