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7. Er trifft auf allen Wegen
Ein wohlbekanntes Land,
Und gern kommt sie entgegen
Den Werken seiner Hand.
8. Ihm folgen die Gewässer
Hilfreich den Berg hinauf,
Und alle Felfenfchlösser
Tun ihre Schätz' ihm auf.
9. Er führt des Goldes Ströme
In seines Königs Haus
Und schmückt die Diademe
Mit edlen Steinen aus.
10. Zwar reicht er treu dem König
Den glückbegabten Arm,
Doch fragt er nach ihm wenig
Und bleibt mit Freuden arm.
11. Sie mögen sich erwürgen
Am Fuß um Gut und Geld:
Er bleibt auf den Gebirgen
Der frohe Herr der Welt.
44. vis Lüneburger Heide.
Nach J. Kutzen (1800—1877).
Die Grenze der eigentlichen Heide gegen das Kulturland ist an ein¬
zelnen Stellen sehr scharf gezogen, an den meisten aber verliert sie sich
allmählich. Man gewahrt da, wie die Wiesen magerer werden, der Boden
sandig gehügelt, wie die Dörfer weit zerstreut liegen und von dürftigem
Acker umgeben, wie die Kiefer auftritt und mit Birken gemischt den
Übergang zur Heide verkündigt, die schon einzelne Ausläufer entgegen¬
sendet. Endlich wird von menschlichem Anbau, von menschlicher Nähe
nichts mehr sichtbar. Heide an Heide siehst du, in trocknen Sommern
dürr und heiß wie der Sand, auf dem sie wächst. An hellen und heißen
Sommertagen flimmert in den Sonnenstrahlen die Luft über der Steppe,
und am fernen Horizonte zeigen sich hüpfende Nebelbilder. Drückende
Schwüle umgibt dich. Du sehnst dich nach einem murmelnden Bache,
einem kühlen Trunk und frischem Rasen in dieser Dürre; aber der Boden
zeigt dir am Rande einer Sandblöße, zu der du soeben gelangst, nur Rinn¬
sale einer versiegten Lache. Da lockt weiter unten in der öd^n Land¬
schaft ein, wie es scheint, angenehmeres Bild; denn es werden saftig grüne
Flächen und hinter ihnen leichte Wasserstreifen sichtbar. Aber welche
Täuschung! Sobald du näher kommst, findest du statt des frischen Rasens
und klaren Quellwassers nur hartes Riedgras, dürre Binsen und niedrige
Zwergweiden. Du stehst an einem Moor, das mit diesen Pflanzen und
abwechselnd mit der Sumpfheide und mit blätterlosen Moosen bedeckt ist.
Tiefer hinein zeigen sich ebene, fahlschimmernde Strecken; aber sie ent¬
halten nicht festes Land. Es sind Schlamminseln von großer Tiefe, durch
die nur wenige gefahrlose Furten leiten. «Bebemoor» nennt sie passend
der Heidbauer; denn bei einem Tritte des Fußes auf sie zittert weithin
die Fläche.
Detlev v. Liliencron (geb. 1844) zeichnet folgendes Heidebild:
1. Die Mittagssonne brütet auf der Heide,
Im Süden droht ein schwarzer Ring.
Verdurstet hängt das magere Getreide,
Behaglich treibt ein Schmetterling.
2. Ermattet ruhn der Hirt und seine Schafe,
Die Ente träumt im Binsenkraut,
Die Ringelnatter sonnt in trägem Schlafe
Unregbar ihre Tigerhaut.
3. Im Zickzack zuckt ein Blitz, und Wasserfluten
Entstürzen gierig dunklem Zelt.
Es jauchzt der Sturm und peitscht aus seinen Ruten
Erlösend meine Heidewelt.