Sache in seiner großen Weise an. Er ließ römische Säulen und Orna¬
mente nach Deutschland fahren, Kapitäle und Zieraten nach den Bauten
von Rom und Ravenna abformen. So baute er zahlreiche Kirchen und
Klöster, sich selbst einen Palast zu Ingelheim, ein Wunder im Franken¬
lande, und so gründete er sich eine Residenz an den warmen Quellen von
Aachen. Dort stand er auf der Stätte, die er gewählt hatte, und be¬
zeichnete selbst seiner Stadt die Straßen und Plätze, den Mauerbezirk
und die Stelle des Rathauses für den Senat. Die Scharen der Arbeiter
zogen heran, sie bauten das große Gotteshaus und den Palast, sie hieben
rohes Gestein zu Säulen, gruben den Hafen, legten Grund zum Platz für
Kampfspiele und deckten die Halle mit hohem Balkendach. Andere singen
das Wasser der warmen Quelle ein, faßten sie schön mit Marmor, formten
die Sitze für die Badenden und leiteten Wasser in alle Teile der Stadt.
Die Lastwagen rollten, Hammerschlag und emsige Arbeit tönte, die Gegend
summte wie von ungeheurem Bienenschwarm. Auf dem Platz des Palastes
aber stellte Karl das eherne Reiterstandbild des großen Ostgoten Theodorich
auf, das er von Ravenna weggeführt hatte.
Seit Einrichtung der Hofschule begann während stürmischen Kriegs¬
jahren im Frankenreich ein neues Leben, dessen Mittelpunkt der Kaiser
mit seinem Hofe war. Die Hofschule Alkuins hatte ihre Wirkung getan;
aus seinen Geistlichen und den Edlen des Hofes war ein Kreis von jungen
Gelehrten heraufgewachsen; das Gefühl irdischer Macht und die Freude an
der neu erworbenen Bildung hob die Gemüter zu fast poetischem Schwünge.
Der gelehrte Angelsachse oder der gebildete Römer, welcher damals
die Pfalz des Königs besuchte und befangen erwartete, vor das Angesicht
des großen Königs geführt zu werden, fand in dem Vorzimmer eine Zahl
von Männern versammelt, die wohl wert waren, daß er sie mit Anteil
betrachtete und ihrer Rede lauschte. Die Blüte des Hofes, Edle und
Gelehrte, Lehrer oder frühere Schüler der Hofschule, bildeten einen ver¬
trauten Kreis, in dem sich der König mit seinen Kindern am freudigsten
bewegte; denn diese Vertrauten standen mit der königlichen Familie in
einem zwanglosen poetischen Verein zu geselliger Förderung in Wissen
und Kunst, der allerdings mit den späteren Akademien wenig gemein hat.
Jeder erhielt darin einen oder mehrere Beinamen, nach einem Brauch, den
Alkuin aus der Schule von Aork mitgebracht hatte. Der Zweck des
Kränzchens war wohl kein anderer, als gebildete Unterhaltung; seine Be¬
deutung für die Gelehrten und die Zeitbildung doch sehr groß.
Schon unter den Merowingern war ein Zeremoniell des Hofes aus¬
gebildet; auf Rang und Hofwürde wurde eifrig gehalten. Aber zwischen
den reichgekleideten Hofleuten standen priesterliche Gelehrte in der weißen
Dalmatika, angelsächsische Mönche in der Tracht des heiligen Benedikt,
dunkele Schottenmönche aus Irland, barbeinig mit rohen Ledersandalcn.
Die Ankommenden empfing der Oberkämmerer Meginfried, für den Tages-
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