Full text: Kurze Darstellung der deutschen Geschichte

222 111, Aeitr. Die neuere Zeit, von der Reformation bis jetzt. 
östreichscher Truppen wurde die Ruhe bald hergestellt. Um sie zu erhalten, haben 
dieselben fortwährend die Stadt Bologna, französische Truppen dagegen den päpst¬ 
lichen Seehafen Ancona besetzt. 
8. Die Schweiz. Auch der sonst so friedliche und glückliche Boden 
der Schweiz ist durch die Folgen der französischen Revolutionen, sowohl der ersten 
als dieser zweiten, in ein Land der Zwietracht verwandelt. Es sind Eiferer für 
das Alte und für das Neue aufgestanden, und die ruhige Entwicklung des Bür- 
gerglückcs, welches nur aus der Wurzel der Eintracht hervorwachsen kann, ist 
gestört. Dazu ist die Schweiz der Sammelplatz vieler unruhigen Köpfe fast aus 
allen europäischen Ländern geworden, welche wegen ruhestörendcr Unternehmungen 
oder Grundsätze ihr Vaterland verlassen mußten. Sie haben von der Schweiz aus 
sogar bewaffnete Einfälle in benachbarte Länder versucht. Mit mißtrauischer Wach¬ 
samkeit^ müssen daher auch die Nachbarstaaten, besonders die angränzenden deut¬ 
schen Lander, stets die Schweiz im Auge halten. Als Folge der innern Uneinig¬ 
keit hat sich der Kanton Basel in zwei, Stadt- und Landschaft Basel, getrennt. 
9. Deutschland. Wir haben die obige gedrängte Uebersicht der gro¬ 
ßen Unruhen und Umwälzungen in einem bedeutenden Theile Europa's, obwohl 
sie streng genommen nicht zu unserer deutschen Geschichte gehört, hier gegeben, 
um zuletzt mit den Gefühlen des Dankes zu der Geschichte unseres deutschen 
Vaterlandes in den letzten 20 Jahren zurückzukehren. Wir sind, Gott sey dafür 
gepriesen! seit dem letzten Frieden mit Frankreich wenigstens vor großen Stürmen 
von Außen bewahrt gewesen und die Wohlthaten des Friedens haben Zeit gehabt, 
sich zu entwickeln. Zwar, die ersten Jahre darnach, 1816 und 17, waren in an¬ 
derer Weise voller Beschwerde und Noth. Der Sommer von 1816 war durch un¬ 
aufhörlichen Regen so verderblich für die Früchte des Feldes, daß, nachdem die 
alten Vorräthe aufgezehrt waren, im Jahr 1817 ein unerhörter Mangel entstand. 
Ohne die thatige Hülfe der Regierungen und den Eifer der einzelnen Gemeinden, 
welche aus weiter Ferne über das Meer Brodkorn herbeischafften, wären vielleicht 
Tausende von Menschen vor Hunger umgekommen, wie oft in älteren Zeiten, 
wo solche verständige Anordnung fehlte; und ohne die Geduld und Rechtschaffen¬ 
heit des Volkes möchte, wegen der gewaltigen Noth, wohl an manchen Orten 
Aufruhr und Mord entstanden seyn, wie ebenfalls in solchen Nothzeiten ehemals 
nicht selten entstanden sind. Aber das deutsche Volk hat sich eben so sehr durch 
Gemeinsinn, der zu helfen, und durch Genügsamkeit, welche das Unvermeidliche zu 
tragen verstand, in diesen Jahren ausgezeichnet, als durch Vaterlandsliebe und 
Muth in den Jahren des Krieges« 
Seit jener Zeit hat der Himmel die Erndten viele Jahre hindurch ge¬ 
segnet, daß es' nicht wieder gemangelt hat, und der Menschenfreund hätte erwarten 
mögen, daß durch Thätigkeit und Fleiß, durch Betriebsamkeit in allen Gewerken, 
und durch Ordnung in den Geschäften des Staates wie des Hauses, wiederum ein 
fester Grund der Wohlfahrt und Zufriedenheit gelegt werden würde. Allein mit 
Betrübniß mußte er wahrnehmen, daß dem nicht überall so sey, wenn auch an 
vielen einzelnen Stellen recht viel Gutes geschah, sondern daß im Allgemeinen die 
Verarmung der großen Menge zunahm, statt abzunehmen, und, was viel schlim¬ 
mer ist, daß der Geist der Unzufriedenheit, des Mißtrauens und der Verände¬ 
rungssucht im Stillen bedeutende Fortschritte machte. Am klarsten kam dieses zu 
Tage, als das Beispiel der Gewaltsamkeit auf einmal von Frankreich und Bel¬ 
gien aus gegeben wurde. Von da an sind auch in mehreren Landern Deutschlands 
einzelne Ausbrüche der Gewalt vorgekommen, und wenn sie im Ganzen nur leicht 
waren und bald wieder gestillt sind, ja, wenn an manchen Orten sogar heilsame 
Veränderungen dadurch bewirkt wurden, so ist dieses einestheils der Mäßigung 
von Seiten der Regierungen und der Bürger, welche Gottlob bis jetzt noch ein 
Grundzug des deutschen Wesens geblieben ist, so wie dem guten und treuen Wil¬ 
len, der noch in Vielen lebt, vor Allem aber der gnädigen Lenkung der Vorsehung 
zu danken, welche auch aus dem zerstörenden Treiben menschlicher Leidenschaften 
den fruchtbringenden Keim neuer Schöpfungen für die Zukunft hervorzurufen weiß. 
Aber der Mensch verlasse sich auf diese Langmuth der Vorsehung nicht und schreite 
nicht fort auf dem Wege der Sorglosigkeit und der Selbstsucht. Die Langmuth 
hat ihre Gränzen, und das selbstbereitete Verderben muß endlich um so furchtba¬ 
rer Hereinbrechen, je länger es nur künstlich durch äußere Mittel zurückgehalten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.