Full text: Historisches Bilder-Buch für die denkende Jugend

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Grab zu fügen, blickt man auf seine Regierung mit Stolz und Wohl¬ 
gefallen, wenn auch gleich nachher die bereits alles ergreifende Auflö¬ 
sung ans Licht tritt. Die unselige Doppelregierung Plnlipp's und Ot- 
to's brachte das Reich nun völlig unter die päpstliche Gewalt, da beide 
um Anerkennung des schlauen Jnnocenz III. sich bewarben, und als 
endlich Meuchelmord den edleren von beiden Fürsten aus dem Wege 
geschafft hatte, ist Otto's kurze Regierung nur durch eine Kapitulation 
merkwürdig, die erste, die ein Kaiser um Krönung und Anerkennung zu 
erlangen, vorher einging. Seine damit im offenbaren Widerspruch ste¬ 
henden Schritte, sich die kaiserlichen Rechte und Länder in Italien 
wieder zu erwerben, wozu er als Kaiser sich dem Reiche verpflichtet 
batte, machten, daß Jnnocenz mit ihm zerfiel und den jungen Friedrich 
von Sicilien, des Barbarossa Enkel, als seinen Gegner in Deutschland 
aufstellte. Der Papst handelte hier gerade so wie Gregor VII. gegen Hein¬ 
rich IV., und nur der Erfolg war anders. Das leuchtende Gestirn Fried¬ 
richs II. besiegte den niedrigeren Welfen, und noch vor seinem Tode war 
Otto IV. bereits so gut wie nicht mehr vorhanden. Indessen war Friedrich 
nicht nur dem Papste durch und durch für seine Erhebung verpflichtet, 
sondern gerieth auch durch die zwar gethane, aber immer hinausgescho- 
bcne Zusage eines Kreuzzugs, durch seine Stellung als päpstlicher Vasall 
wegen Sicilien und Neapel, endlich durch seine der ganzen Zeit vorange¬ 
eilte Ansicht über Welt und Kirche, in die verwickeltsten, endlich mit dem 
Untergang seines ganzen Geschlechtes endenden Händel. Dem Reiche ist 
der Untergang Konrads, Manfreds, Enzios und Konradins ganz fremd, 
indessen beweist wenigstens die Geschichte dieser Namen, welchen un¬ 
glückseligen Ausgang die Kämpfe der weltlichen Macht gegen die geist¬ 
liche hatten. Blickt man aber auf das Reich selbst, und fragt man, 
was der hochbegabte Kaiser Friedrich für dasselbe gethan, so dürfte sich 
außer einzelnen Privilegien, außer der den Fürsten, man möchte bei¬ 
nahe sagen aus Nichtachtung Deutschlands, ertheilten Landeshoheit, aus¬ 
ser einem Landfrieden in deutscher Sprache, kaum Etwas finden. Die 
Deutschen mußten die ärgste Pest, welche ihnen drohte, die Inquisition, 
mit Friedrichs Wissen und Willen eingeführt, durch ihre eigene Ent- 
schloffenheit verscheuchen; sie mußten allein durch Bündnisse für Sicher¬ 
heit des Handels und Wandels Sorge tragen; sie allein, ohne Kaiser 
und König, mußten den furchtbaren Feind, die Mongolen, bestehen 
(1241), von dem sie eigene Tapferkeit und mehr noch ein gütiges Ge¬ 
schick, befreite. Es war daher eigene Schuld Friedrichs, wenn die Deut¬ 
schen der Aufforderung des Papstes, einen andern König zu wählen. 
Gehör gaben; denn abgesehen vom Rechte, was half ein Reichsober¬ 
haupt, das von dreißig Jahren kaum zwei Jahre in Deutschland verlebt 
hatte? Zu deutlich war es gezeigt worden, daß der Titel Kaiser nur ein 
leeres Blendwerk sey, als daß die Laien noch besondere Achtung davor 
gehegt hätten. Am tiefsten daher sank unter Heinrich Raspe, Wilhelm
	        
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